Kultur

Helmut Newton zu scharf für YouTube? Kunstforum beklagt "Google-Perversion"

Der Google-Konzern hat anderslautenden Beteuerungen zum Trotz seine Richtlinien zur Zensur von Nacktheit offenbar nicht ganz im Griff: Am Dienstag wurde der Youtube-Livestream der Pressekonferenz zu der Werkschau des Fotografen Helmut Newton im Bank Austria Kunstforum Wien kurzerhand unterbrochen, ein Beitrag der Nachrichtenseite orf.at, den die Institution in einer Instagram-Story gepostet hatte, wurde offline genommen. Wer sich auf Youtube den archivierten Livestream der Pressekonferenz ansehen will, muss sich nun registrieren und sein Alter überprüfen lassen (Stand Dienstag, 13 Uhr). Eine ähnliche Erfahrung machte Ihr KURIER-Rezensent, der nach einem Preview-Rundgang am Montag ein Foto (s. oben) aus der Ausstellung auf seinem Instagram-Kanal postete: Auch dieses wurde mit Hinweis auf die Nacktheits-Richtlinien entfernt.

Zweierlei Maß

„Der Google-Konzern schmückt sich einerseits mit den Federn, Museen und Bibliotheken zu digitalisieren, verhindert im gleichen Atemzug kulturelle Inhalte“, ist Bank-Austria-Kunstforum-Wien-Direktorin Ingried Brugger erzürnt.  Bei den Inhalten der Pressekonferenz wurden Bilder der Ausstellung gezeigt, die in der größten Nachrichtensendung des Landes im öffentlich-rechtlichen Fernsehen zu sehen waren.

Es ist nicht das erste Mal, dass künstlerische Darstellungen von Nacktheit dem indifferenzierten Filter der Google-Plattformen zum Opfer fallen: Das Leopold Museum, das 2021 Clips zu seinem 20-Jahr-Jubliäum auf YouTube schaltete, wurde mehrfach blockiert, selbst die "Venus von Willendorf", die prähistorische Figur aus dem NHM, war 2017 Gegenstand einer Blockade. Der Tourismusverband Wiens lancierte im Oktober 2021 als Reaktion einen Account auf der Plattform „OnlyFans.com“, die auch explizit sexuelle Inhalte zulässt, und stellte dort Kunstschätze der Stadt ironisch im Kontext des Verruchten aus.

Vonseiten Googles hieß es zuletzt, die Richtlinien zur Darstellung von Nacktheit seien  "mit der Zeit nuancierter geworden". Der Vorfall rund um die Newton-Schau zieht diesen Selbstbefund in Zweifel.

"Für Kulturveranstalter bleibt unverständlich, warum Influencer ihre nackte Haut nahezu uneingeschränkt monetarisieren können, Ausstellungen von den US-Tech-Giganten einer Zensur unterzogen werden, die jegliche Sprech- und Denkverbote einer zivilisierten Gesellschaft überschreitet", heißt es in einer Aussendung des Kunstforums. "Insbesondere in Zeiten von Kontaktminimierung durch die nach wie vor grassierende Pandemie sind Streams und digitale Vermittlungsangebote für die Kulturbranche überlebenswichtig. Die Zensur von Youtube und Co. greift in das Grundrecht der Menschen auf Kulturgenuss und freien kulturellen Diskurs ein.“