Haruki Murakami vollendet "1Q84"-Trilogie
Von Peter Pisa
Eigentlich geht`s ja nur um zwei Menschenkinder, die hatten einander schon im Alter von zehn sehr lieb, und jetzt können sie zusammen nicht kommen.
Es liegt nicht daran, dass das Wasser zu tief ist (wie im Lied über die Königskinder) ... das wäre auch ein bissl zu seicht für einen Roman mit insgesamt 1600 Seiten. Haruki Murakami hat gleich viele Nebelmaschinen eingesetzt, um die alte Geschichte so zu erzählen, dass weltweit Millionen zu dem Buch greifen.
Er erfand eine Parallelwelt - erreichbar übrigens über die Notstiege einer japanischen Stadtautobahn. Bei der Esso-Tankstelle. Falls jemand rüber will. Und schon wurde aus dem Jahr 1984 das Jahr "1Q84 " (das Q steht für questionmark, Fragezeichen) ...
Zwei Monde stehen am Himmel. Als Gegensatz zu Orwells "big brother" gibt es die "little people", welche heimlich die Fäden ziehen. Sind es Aliens? Oder ist es bloß das Böse, das in allen steckt? Murakami wird sich hüten, Antworten zu geben.
Der DuMont Verlag brachte die ersten beiden Teile (in einem einzigen silbergrauen Band) Ende 2010 heraus. Am kommenden Mittwoch folgt Band drei, grün. Schwierigkeiten, nach der langen Pause wieder hineinzufinden, hat man kaum.
Schwierigkeiten, drinnenzubleiben, hat man eher.
Die Stimmung ist gut. "1Q84" ist vor allem Stimmung. Die Sprache ist einfachst gehalten, damit sie nicht stört. Versucht Murakami, mit der Sprache zu spielen -, wenn Vögel, die eh schwarze Farbe haben, "dunkel durchtränkt" sind oder auf der glatten Haut einer Krankenschwester "unschuldige Härchen golden schimmern" -, hauen sie die Stimmung zusammen.
Das Mysteriöse beiseite lassend, lässt sich der Inhalt in zwei Sätzen wiedergeben:
Aomame - das ist die mittlerweile 30-jährige Frau - wird von einem Glatzkopf, einem Wasserkopf und einem Mann mit Rossschwanz gejagt, weil sie einen Sektenführer, der angeblich Kinder vergewaltigt hatte, tötete.
Trotz der Gefahr sucht sie den Schriftsteller mit den "Blumenkohlohren" Tengo, in den sie einst so verliebt war; und er sucht sie.
Bezieht man das Mysteriöse ein, klingt es in etwa wie folgt:
Das Bewusstsein eines Koma-Patienten klopft an fremde Türen und macht Terror. Spermien wandern durch den Äther aus dem Unterleib der einen Frau in den Unterleib einer anderen, um diese zu schwängern. Mini-Monster klettern aus dem Mund eines toten Privatdetektivs und bauen Puppen aus Luft.
Puppen aus Luft braucht man, um die Daughter erschaffen zu können. Allerdings braucht man vorher die richtige Mother. Dann kann man Stimmen hören. Wenn man in der Lage ist, Stimmen zu hören.
Das ist Schaumschlägerei auf hohem Niveau.
Das Ende ist happy, man hält Händchen. Aber vieles bleibt offen. Obwohl man es unmöglich zumachen kann, wird eine Fortsetzung nicht ausgeschlossen.
KURIER-Wertung: **** von *****
Es ist ja selbst beim Lesen kaum erträglich, nicht und nicht zu erfahren, was mit dem Vater von Alisa passiert ist. Die Kleine, noch im Kindergartenalter, bekommt in den 1950er-Jahren in Tel Aviv eine Ahnung, was die "Shoah" war, und sie weiß auch von ihrer Mama, dass sie nichts erben wird - weil Juden nichts vererben außer Sorgen und Hämorrhoiden. Aber der Vater? War er Held? Verräter? Das Schweigen der Überlebenden war wohl die größte Qual für deren Kinder. Erst Jahrzehnte später sucht Alisa ihre verlorene Biografie.
Lizzie Doron, 1953 in Tel Aviv geboren, hat schon mehrmals über ihre Mutter geschrieben. Schreibend schwebt sie über ihr. Auch "Das Schweigen meiner Mutter" spart mit Worten und löst dadurch eine Menge Gefühle aus.
KURIER-Wertung: **** von *****
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Das dänische Autorenduo Anders Rønnow Klarlund und Jacob Weinreich trat unter dem Psyeudonym A. J. Kazinski an, um Dan Brown den Rang als Verschwörungstheoretiker Nr. eins streitig zu machen. Mit Erfolg.
In "Die Auserwählten" werden rund um den Globus gute Menschen um die Ecke gebracht, damit die Welt richtig böse wird. Die Schreiber leeren ein X-Tausend-Teile-Puzzle aus. Am Zusammensetzen happert`s. Aber Logik wird sowieso überbewertet. Hauptsache, zum Schluss rettet eine Mathematikerin ohne BH die Erde. - Michaela Mottinger
KURIER-Wertung: *** von *****