Griechisch-orthodoxe Kirche: Die Überraschung hinter der Fassade
Die Museen sind geschlossen. Aber die Kirchen stehen offen. Und sie vermögen großartige Kunst zu bieten – vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Daher bat der KURIER Fremdenführerinnen, uns interessante Gotteshäuser zu zeigen. Nicht unbedingt die bekannten, sondern solche, in die man vielleicht nicht hineingeht oder sich gar nicht hineinzugehen traut.
Valerie Strassberg nahm das Angebot gerne an. „Der Tourismus hat derart geboomt. Wir sind die ganze Zeit mit unseren Gästen durch die Stadt gerannt, weil so viel zu tun war. Und von einem Tag auf den anderen gab es keine Arbeit. Eine interessante Erfahrung. Ich freu mich daher, dass ich zumindest eine Führung für zwei Personen machen kann.“
Sie wählte die griechisch-orthodoxe Kathedrale zur Heiligen Dreifaltigkeit am Fleischmarkt aus. „Denn sie bietet gleich eine Überraschung. Man geht durch das Tor – und landet gar nicht in der Kirche. Das hängt damit zusammen, dass im römisch-katholischen Österreich andere Konfessionen lange Zeit nicht erlaubt waren.“
Bereits im Mittelalter reisten griechische Händler nach Wien. „Mit Karawanen! Sie verkauften Gewürze, Felle und Wolle“, erzählt Strassberg. Unter Leopold I. (1640– 1705) bekamen sie das Privileg, sich ansiedeln zu dürfen. „Maria Theresia wollte sogar, dass sich die Griechen mit einem Eid zu diesem Land bekennen. Und sie holten ihre Familien her. Am Fleischmarkt gab es viele Handelsgesellschaften.“ Das Griechenbeisl, in dem der liebe Augustin sang, hat es aber schon davor gegeben – unter anderem Namen. Aufgrund des Toleranzpatents von Joseph II. im Jahr 1781 wurde den Orthodoxen die Religionsausübung gestattet. Und so wurde im Innenhof des Graf Stockhammerschen Palais, das die Bruderschaft vom Heiligen Georg erworben hatte, von 1782 bis 1787 eine Kirche errichtet.
Büro der Metropoliten
Einige der Geschäftsleute wurden sehr reich, darunter Simon Freiherr von Sina. Er lernte in Athen Theophil Hansen kennen, der dort Architektur studierte, und beauftragte ihn mit dem Bau eines neuen Pfarrhauses. Das Palais wurde zum Teil abgerissen, die Arbeiten erfolgten 1858 direkt auf die Renovierung der Kirche durch Franz Poduschka: „Hansen entwarf ein dekoratives Backstein-Gebäude im romantischen Historismus, angelehnt am byzantinischen Stil“, erklärt Strassberg. „Es hat einen fast symmetrischen Aufbau samt achteckigem Turm.“ Mit den Gemälden, darunter die Heilige Dreifaltigkeit, wurde Carl Rahl beauftragt. Sie sind mit goldenem Hintergrund an die Ikonenmalerei angelehnt.
Man tritt durch die Türe – und landet in einem Vestibül. Die Porträts der Evangelisten wurden u. a. von Christian Griepenkerl (Lehrer von Egon Schiele) ausgeführt. Dann öffnet sich das Vestibül zum Atrium. Abgebildet sind die drei Hierarchen, die Väter der griechisch-orthodoxen Kirche. Eine Treppe führt hinauf zur griechischen Schule und den Büros der Metropoliten.
Über zwei Stufen gelangt man in die eigentliche Kirche, eine Hallenkirche mit drei Jochen. Und man steht, wie bei orthodoxen Kirchen üblich, vor der Ikonostase, einer reich verzierten Wand mit drei Türen, die das Schiff vom Altarraum trennt. Das „Programm“ führt vom Sündenfall und der Vertreibung aus dem Paradies bis zur Erlösung durch Jesus Christus. Integriert ist auch eine Ikone aus dem 15. Jahrhundert.
Wirklich orthodox wirkt die Kathedrale mit dem Bischofssitz und dem Doppeladler auf der Kanzel aber nicht, eher barock. Und klassizistisch. Denn die Empore für die Frauen stammt aus der Renovierung im 19. Jahrhundert.
Hansen wurde in der Folge berühmt: Er entwarf in Wien das Parlament, die Börse und die Akademie der bildenden Künste.
Zur Person
Valerie Strassberg (50) studierte Theaterwissenschaft, war Reiseleiterin und ist seit 2008 Fremdenführerin. Unter dem Label „Vienna by Val“ (v)ermittelt sie alles Wissenswerte über die Stadt. Sie führt auch in Spanisch, Italienisch und Französisch.
Spezielle Touren
Um Musik geht es in der Tour „Das Goldene Wiener Herz“. Strassberg bietet zudem eine Sigmund-Freud-Tour an – zu den Stätten seines Lebens u. a. in der Leopoldstadt (ein Haus, in dem Freud als Kind lebte, ist erhalten geblieben!). Endpunkt ist das frisch renovierte Freud-Museum in der Berggasse: „Es ist wirklich sehr schön geworden!“
Info: strassberg.at