Kultur

"Grenzgänger": Abendessen statt Liebeshunger

Die größte Entdeckung in Florian Flickers neuem Spielfilm sind die niederösterreichischen March-Auen. Die Sumpflandschaft an der Ostgrenze, sie zeigt sich in ungeahnter Schönheit. Man fühlt sich in einen tropischen Urwald versetzt, in dem jederzeit Soldaten auf einen schießen könnten. Dann wieder öffnen sich Wiesen, Bahngeleise und ein altes Gasthaus mit Holzveranda. Ein wieherndes Pferd biegt ums Eck – wie in einem Western.

Florian Flicker und sein Kameramann Martin Gschlacht inszenieren die ehemalige Sperrzone des Eisernen Vorhangs als fantastische, „filmische“ Orte. Als archetypische Schauplätze für Urszenen des Genre-Kinos: Gewalt, Sex, Verrat und Tod.

Solch ein erdiges Szenario – eine Frau zwischen zwei Männern – pflanzt Flicker inmitten seiner Landschaft. Das Problem dabei ist, dass sein Trio nicht halb so charismatisch ist wie die Au.

Dabei ist der Film- und TV-Routinier Andreas Lust eigentlich eine gute Wahl. Doch als Partner der jungen Slowakin Jana (Andrea Wenzl), mit der er ein abgetakeltes Gasthaus führt und vom Golfhotel träumt, wirkt selbst er ratlos. Er spielt Hans, der illegale Flüchtlinge nach Österreich schleppt und das Bundesheer im Nacken hat. So gesehen kommt es ihm gerade recht, dass ein Soldat sich in seine Jana verguckt und weniger auf die Grenze aufpasst. Wie nicht anders zu erwarten, entspinnt sich zwischen Jana und dem Soldaten Leidenschaft und droht, das Beziehungsgefüge in die Luft zu sprengen.

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Schnösel

Zumindest theoretisch. Man kennt das Motiv des Mannes, der seine Frau als Köder auslegt, aus Filmen wie Godards „Die Verachtung“. Auch tödliche Liebestrios sind Wiedergänger der Filmgeschichte mit Klassikern wie „Wenn der Postmann zweimal klingelt“. All dies fällt einem ein, man spürt es aber leider nicht.

Denn Flicker gelingt es kaum, Spannung zwischen seine Figuren zu bringen. Das größte Problem ist dabei wohl Stefan Pohl als Soldat. Nie lässt er als Beziehungsangreifer das notwendige Maß an Hingabe oder sexueller Gier aufblitzen. Stattdessen tritt er als Wiener Schnösel auf, der sich dreist an den Tisch setzt und den Schweinsbraten des Ehemannes verspeist. Was bleibt, wie gesagt, ist der Schauwert der Landschaft. Die Klangtupfer der Sängerin Gustav verfremden die Au exquisit. Dabei lässt sich wunderbar vorstellen, wie sich dort Geschichten über Gewalt, Sex, Verrat und Tod abspielen... könnten.

KURIER-Wertung: *** von *****

Info:  Österreich 2012. 90 Min. Von Florian Flicker. Mit Andreas Lust, Andrea Wenzl, Stefan Pohl, Martin Schwanda.

Ein heiteres Rätselraten zieht sich über 172 Minuten: Wer ist Halle Berry? Die weiße Jüdin? Der alte Asiate? Und halt: War das nicht Hugh Grant, vierzig Jahre älter? Die „Matrix“-Geschwister Wachowski haben mit Herzensfreund Tom Tykwer einen gigantischen Genre-Mix fabriziert, in dem es von Superlativen nur so strotzt. Mega-Stars in spektakulären Maskierungen geistern durch die Weltgeschichte. Tom Hanks fängt ganz unten, als verbrecherischer Seebär im 19. Jahrhundert an, und darf am Ende, in ferner, post-apokalyptischer Zukunft, die Menschheit retten. Denn irgendwie ist alles verbunden – zumindest wird das behauptet. Das Regie-Trio hat sechs Geschichten – vom Sci-Fi-Spektakel bis zur Fantasy – zu einem angeberischen, in Wahrheit sehr konventionellen, aber recht unterhaltsamen Esoterik-Wahnsinn verschmolzen.

KURIER-Wertung: **** von *****

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Info: D/USA/HK/SGzP 2012. 172 Min. Von Lana und Andy Wachowski und Tom Tykwer. Mit Tom Hanks, Halle Berry, Ben Wishaw.

Viel Ausdrucksmöglichkeiten hat Karl Urban als Judge Dredd nicht: Er kann gerade mal mit seiner Oberlippe und den Nasenlöchern schauspielern. Der Rest liegt hinterm Helm verborgen. Trotzdem tritt er würdig in die Fußstapfen von Sylvester Stallone, auch wenn er nie sein Gesicht zeigt.
In einer grausamen, düster designten Zukunftsstadt regiert das Verbrechen. Speziell in einem riesigen Wohnblock terrorisiert eine gewisse Ma-Ma die Bewohner mit einer Droge namens SLO-MO. SLO-MO versetzt den Nutzer in einen gigantischen Rausch, den Regisseur Peter Travis in herrlich stilisierter Zeitlupe ziemlich verführerisch in Szene setzt. Weniger schön schon sind jene Praktiken, bei der Ma-Ma – eine Art Punk-Psychopathin – ihren Feinden bei lebendigem Leib die Haut abzieht. Der Anblick der Fleischklumpen ist gewöhnungsbedürftig. Judge Dredd, ein faschistoider Ordnungshüter, der gerne standrechtliche Erschießungen vornimmt, ist aber ohnehin mit nichts zu beeindrucken. Wortkarg massakriert er mit einer Gehilfin, die anderer Leute Gedanken lesen kann, seine Gegner im Wohnblock. Atmosphärisch dichtes, in sich recht gelungenes Sci-Fi-Genre-Stück.

KURIER-Wertung: **** von *****

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Info: USA 2012. 95 Minuten. Von Pete Travis. Mit Karl Urban, Olivia Thirlby, Lena Headay, Rakie Ayola, Jason Cope.

 

Geht es nach den Behörden, darf der iranische Star-Regisseur Jafar Panahi („Offside“) die nächsten zwanzig Jahre keinen Film mehr machen. Und muss auch noch sechs Jahre ins Gefängnis. Während er gegen dieses Urteil ankämpft, hat Panahi Hausarrest. Vom Regie-Kollegen Mojtaba Mirtahmasb lässt er sich einen ganzen Tag in seinem Wohnungsgefängnis filmen, teilweise mit dem iPhone. In einem Kuchen wurde dann der verbotene Film nach Cannes geschmuggelt – als absolut sehenswertes, berührendes Video-Dokument über einen ganz herausragenden Künstler.

KURIER-Wertung: ***** von *****

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Acht Studenten zwischen WG-Leben, Beziehungsstress und ersten Karriereschritten. Nettes Generationenporträt ohne großen Tiefgang.

KURIER-Wertung: *** von *****

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Herzig-harmloses Zeichentrickabenteuer, in dem alles in Rosa glitzert und blinkt. Im Zentrum steht die neugierige Tinkerbell; sie entführt kleine Mädchen ins Reich der Feen.

KURIER-Wertung: *** von *****

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Solide, sympathische Senioren-Komödie mit Angelica Domröse und Otto Sander, in der die Bewohner eines Altenheims eine Propeller-Maschine entführen und zu einer Mittelmeerinsel fliegen.

KURIER-Wertung: **** von *****

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