Kultur

Grandiose Variationen und Revolutionen

Es gibt Konzerte, die ein sogenannter Selbstläufer sind, die der Papierform nach eigentlich nur großartig sein können. Dann nämlich, wenn ein internationales Top-Orchester samt ebenso berühmtem Dirigenten auf einen Solisten trifft, dessen Können schlicht einzigartig ist.

So geschehen beim Musikfestival Grafenegg, wo Intendant Rudolf Buchbinder wieder selbst als Pianist zu erleben war und das Publikum am Wolkenturm zu Begeisterungsstürmen animierte. Auf dem Programm eines rein russischen Abends: Sergej Rachmaninows überaus populäre „Paganini-Rhapsodie für Klavier und Orchester“ (op. 43), die jedem Pianisten extrem viel abverlangt, aber auch sehr effektvoll ist.

Und – man kann es dem Künstler gar nicht hoch genug anrechnen – Buchbinders Darbietung war virtuos, phänomenal austariert, mit herrlichsten Details gewürzt und in allen Phasen brillant. Aber: Jede Variation behielt dank Buchbinders Sensibilität ihr eigenes Flair; nie wurde die Musik Selbstzweck. Denn Buchbinder dient stets dem Werk, völlig uneitel, jedoch phänomenal und in aller gebotenen Intensität. Eine grandiose Interpretation, bei der auch die Gäste aus St. Petersburg und Dirigent Valery Gergiev sorgsam assistierten. Eine Chopin-Zugabe gab es noch als Krönung.

Russische Seele

Nach der Pause waren dann Gergiev und das Mariinsky-Orchester ganz in ihrem Element. Aufwühlend, dramatisch, packend und mit dem teils gebotenen Pathos realisierten Dirigent und Orchester die elfte Symphonie von Dmitri Schostakowitsch in g-moll mit all ihren revolutionären Anklängen. Hier betätigte sich Gergiev als großer Klangmaler, als meisterhafter Theatraliker, der das „Jahr 1905“ (so der Beiname) wieder auferstehen ließ.

Ein paar kleinere Irritationen nahm der Maestro dabei wohl bewusst in Kauf – die Klang-Dramaturgie, die große Geste, der satte, jedoch nie plakative Pinselstrich standen bei dieser Interpretation im Vordergrund. Auch hier hatte das Publikum viel Grund zum Jubeln, denn Gergiev hatte die Revolution fest im Griff.

KURIER-Wertung: ***** von *****