Gerhard Zeiler: "Fernsehen geht immer und überall"
Von Christoph Silber
Gerhard Zeiler ist der Star am Online-Tag der österreichischen Medientage, die am Dienstag in Wien beginnen. Der gebürtige Wiener, Chef von Europas größtem Rundfunk-Konzern, der RTL Group, debattiert hier über die Zukunft des Fernsehens. Die Episode ORF-Wahl, für die er abgesagt hat, ist abgehakt, darüber will er nicht mehr reden - außer über die neue ORF-Fernsehdirektorin Kathrin Zechner.
Herr Zeiler, mit Kathrin Zechner hat der ORF auf einem neuen,mächtigen Posten künftig jemanden sitzen, den sie groß gemacht haben. Wie schätzen Sie diese Wahl ein?
Gerhard Zeiler: Ich bin sicher, dass Kathi Zechner programmlich eine hervorragende Fernsehdirektorin sein wird. Der ORF hat viele - auch kreative und programmliche - Probleme. Diese zu lösen wird sicher ein hartes Stück Arbeit. Aber wenn es jemand schaffen kann, dann Kathrin Zechner.
Bei den Medientagen geht es um die Zukunft des Fernsehens. Die allernächste kennen die Konsumenten: Beim analogen Fernsehen geht das Licht aus. Aber was kommt dann? Nach HD 3D und die totale Verschränkung von TV und Internet?
Was jetzt kommt und zum Teil sogar schon da ist, das ist Fernsehen in noch besserer Qualität - durch größere Bildschirme und höhere Auflösung, eben mit besserer Bildqualität. Kurzum: das Thema HD wird in den nächsten 5 bis 10 Jahren eine ganz wichtige Rolle spielen. Ob sich gleichzeitig auch das 3D-Fernsehen durchsetzen wird, das wage ich allerdings ein bisschen zu bezweifeln, weil eine solche Umstellung - das hat die Einführung von HD gezeigt - doch sehr lange dauert. Hinzu kommt das mobile Fernsehen auf Smartphones, I-Pads und anderen mobilen Endgeräten. Insgesamt wird durch diese Entwicklungen die Fernsehnutzung weiter steigen - es gibt einfach noch mehr Auswahl- und Nutzungsmöglichkeiten für die Zuschauer. Wie dabei das Signal angeliefert wird, das ist dem Konsumenten letztlich völlig egal.
Ist das die Renaissance des Fernsehens?
Von Renaissance zu sprechen ist falsch, denn das Fernsehen war immer gefragt. Weltweit wird heute so viel ferngesehen wie noch nie zuvor. Das belegen auch die aktuellen Zahlen aus den großen Märkten wie Deutschland, Frankreich, England oder den USA. Die neuen technologischen Entwicklungen - also On-Demand-Plattformen, Fernseher mit Internetverbindung oder mobile Endgeräte - schaffen immer mehr Möglichkeiten, Fernsehinhalte zu schauen. Und deshalb mache ich mir um die Zukunft des Fernsehens keine Sorgen.
Droht dabei die Gefahr einer Zweiklassengesellschaft: Einerseits jene, die mit den neuen Technologien umgehen und sie sich leisten können, auf der anderen Seiten de "Technologie-Verlierer"?
Bei jedem Technologiesprung gibt es die so genannten Early Adopter, die sofort alles ausprobieren. Dann kommt die Phase, in der viele Leute den Sprung mitmachen, weil die Technologie mittlerweile leicht zu bedienen ist. Und dann gibt es immer auch Leute, die sagen, dass sie eine neue Technologie nicht wollen, nicht brauchen. Ich würde da nicht von Technologie-Verlierern reden. So etwas hat man bereits bei der Einführung des Videorecorders erlebt, ebenso beim DVD-Player. Und ähnlich wird es auch beim Connected TV, also bei der Integration des Internet auf dem Fernseher, sein. Wie rasch sich diese neuen technologischen Möglichkeiten durchsetzen in dem Sinne, dass 80, 90 Prozent der Konsumenten sie nutzen, kann ich nicht sagen. Da gehen die Einschätzungen auch deutlich auseinander. Für uns als TV-Sender ist entscheidend, dass wir attraktive Angebote für alle Nutzungsmöglichkeiten bieten. Darum sage ich auch stets: die Zukunft des Fernsehens ist... Fernsehen.
Wie sehr bedroht das Internet das traditionelle Fernsehen und wie sehr muss sich RTL davor fürchten?
Aus unserer Sicht sind die Chancen durch die technologischen Entwicklungen größer als die Gefahren. Erstens, weil die Fernsehnutzung steigt - und zwar sowohl die traditionelle lineare Nutzung, die an ein festes Programmschema gebunden ist, als auch die individuelle On-Demand-Nutzung. Zweitens, weil wir mit unseren Produkten und Marken in beiden Bereichen aktiv sind. Wenn wir auf die sogenannten "Catch-Up-TV-Dienste" der RTL Group schauen, zeigt sich, dass es einen echten und wachsenden Bedarf für das non-lineare Fernsehen gibt: Insgesamt verzeichneten die Online-Plattformen und On-Demand-Angebote der RTL Group mehr als 928 Millionen Videoabrufe im ersten Halbjahr 2011. Das ist ein Wachstum von mehr als 30 Prozent im Vergleich zum ersten Halbjahr 2010. Das ist enorm. Das interessante daran ist, dass es bisher zu keiner Kannibalisierung des traditionellen linearen Fernsehens, zu keiner Substitution gekommen ist - ganz im Gegenteil. Das heißt, die Menschen nutzen diese Angebote zusätzlich. Und vor allem rufen sie ihre Lieblingssendungen ab, die sie bei der Ausstrahlung versäumt haben. Mit anderen Worten: In der On-Demand-Welt profitiert das, was wir Blockbuster-Fernsehen nennen - also die großen Shows, die für Gesprächsstoff sorgen. Und es profitieren die ohnehin schon erfolgreichen seriellen Fernsehformate - Daily Soaps, Sendungen wie "Das Perfekte Dinner" oder Serien wie "Desperate Housewives" . Das sind die Gewinner auf allen großen Märkten. Und diese Entwicklung nützt einem großen TV-Konzern wie der RTL Group, denn wir haben diese starken Programm-Marken. Früher nutzten die Zuschauer ihre Videorekorder, um ihre Lieblingssendungen aufzunehmen, dann die digitalen Rekorder. Heute müssen die Konsumenten gar nichts mehr selbst aufnehmen, weil sie es bei uns jederzeit abrufen können.
Es ist viel die Rede von Apple TV, von Google TV? Es werden irrwitzige Summen genannt, die da angeblich investiert werden. Wie geht RTL mit diesen sehr potenten potenziellen Konkurrenten um?
Welche Summen werden genannt?
Kurier: 600 Millionen Dollar!
Um diese Summe ein wenig zu relativieren: 600 Millionen Dollar, das ist ein Fünftel unseres jährlichen Programmbudgets und wir sind ein kleinerer Konzern als Google. Außerdem: bislang sind das Ankündigungen, nichts davon wurde bis dato umgesetzt. Von Apple habe ich noch gar keine Summe gehört. Vor kurzem sagte Jeffrey Bewkes, der Chef von Time Warner, etwas, was mir sehr gut gefällt: "There is no content on Hulu or Netflix or Amazon or Apple that isn't already available on any of our TV networks." Das heißt, diese Anbieter sind letztlich "Wiederholungsmaschinen", aber bis dato keine Produzenten von originalen Inhalten. Sie geben dem Konsumenten eine zweite oder dritte Chance etwas anzuschauen, was bereits im Fernsehen oder Kino lief. Wir, die großen Fernsehsender, müssen mit unseren Hitformaten - "Got Talent", "Idols", "X-Factor" - immer die Nummer-Eins-Wahl sein. Dass es dann noch andere Anbieter gibt, die noch weitere Chancen zum Anschauen bieten - das hat es letztlich immer schon gegeben. Früher war es die Videothek oder die selbst aufgenommene Videokassette. Und sogar das bieten jetzt die Fernsehsender direkt mit ihren Catch-up-TV-Diensten. Sicherlich wird es zudem Dienste für die vierte oder fünfte Chance geben, und mit denen arbeiten wir auch gerne zusammen. Allerdings haben wir dafür zwei Bedingungen definiert. Erstens: die Werbevermarktung bleibt bei unseren Sendern und wird nicht von Drittanbietern übernommen. Zweitens kann man bei uns nicht einfach einzelne Programme kaufen. Wir wollen, dass unseren Programme stets zusammen mit unseren Sendermarken präsentiert werden - es muss also bei diesen Anbietern ein RTL-Umfeld, ein VOX-Umfeld oder in Frankreich ein M6-Umfeld geben. Das ist unser Konzept.
Den deutschen Privaten wurde durch die Kartellbehörden ein gemeinsames Online-Portal verboten. Hat man sie damit von einem Zukunftsmarkt abgezwickt? Wie gehen Sie mit der Situation um?
Wir lassen das Gericht darüber entscheiden, ob dieses De-facto-Verbot richtig ist. Wir jedenfalls teilen die rechtliche Auffassung des Bundeskartellamtes nicht. Allerdings: man hat uns ja nicht die eigenen On-Demand-Angebote untersagt, sondern eine zusätzliche technische Plattform. Wir wollen damit den Zuschauern eine zentrale Anlaufstelle im Internet für TV-Inhalte, also eine Erleichterung bieten.
Für die Privatsender ist ihre Refinanzierung naturgemäß ein Dauerthema. Ein Lehre aus der jüngste Krise war ja, dass sich die Sender in einem hohen Maß von Werbeeinnahmen unabhängig machen wollen. Welche Wege beschreitet hier die RTLGroup und welches Ausmaß hat das schon erreicht?
Bei uns kommen knapp vierzig Prozent aller Umsätze aus werbeunabhängigen Aktivitäten, damit sind wir sehr gut aufgestellt. Das hängt einerseits damit zusammen, dass wir mit FremantleMedia ein starkes, weltweit aktives Produktionsgeschäft haben, das allein knapp die Hälfte der Nicht-Werbeumsätze beisteuert. Die anderen 20 Prozent kommen von den Diversifikationsgeschäften der Fernsehsender. In Deutschland und Frankreich sind wir etwa stark im Videorechte-Handel. Mit Ventadis ist die französische Groupe M6 im Homeshopping und E-Commerce vertreten. Dazu kommen auch noch Gaming-Initiativen. So hat FremantleMedia im vergangenen Jahr die Mehrheit bei der kanadischen Firma Ludia übernommen, die Social Games entwickelt. Wir haben die RTL Group stets als Unternehmen definiert, das sich durch attraktive Inhalte und starke Marken auszeichnet - und genau das ist der Rahmen, in dem sich unzählige Möglichkeiten auftun: von der Zuschauerattraktion The American Idol Experience im Walt Disney World Resort in Florida über das Mobilfunkangebot M6 Mobile bis hin zu Liveshows von TV-Formaten wie "The Price Is Right" oder "Got Talent". Ich kenne wenige Free-TV-Gruppen, die mit Blick auf die werbeunabhängigen Einnahmen so gut aufgestellt sind wie die RTL Group.
Kurzer Sidestep: Die Öffentlich-Rechtlichen leben ja ganz gut von den Gebühren und finanzieren solche Projekte daraus. Jetzt stellt Deutschland auf die Haushaltsabgabe um, die Schweiz hat das auch beschlossen. In Österreich ist das Thema andiskutiert. Wie sehen Sie diese Abgabe? Was halten Sie von der Idee eines Gebührensplittings in Österreich, also dass Private für öffentlich-rechtliche Inhalte einen Teil der Gebühren bekommen?
Ob Haushaltsabgabe oder nicht, das ist Sache des Gesetzgebers. Ich denke von den Einnahmen her wird das letztlich keinen großen Unterschied machen. Beim Gebührensplitting weiß ich, dass viele Kollege im privaten Bereich diese Idee bevorzugen. Ich war da immer skeptisch. Ordnungspolitisch befürworte ich - zumindest in den großen Ländern - eine klare Trennung der Finanzierungssysteme: Die einen sollen Gebühren erhalten, die anderen finanzieren sich über Werbung. Das funktioniert zum Beispiel in Großbritannien seit Jahrzehnten einwandfrei. Dass es aber in kleineren Ländern eventuell Kompromisse geben muss, verstehe ich.
Die RTLGroup verdient, nach den jüngsten Zahlen, bestens. Spürt man nichts vom Gerede über das Ende des Euro, die Krise der Eurozone und was erwarten Sie noch bis Jahresende?
Genauso wie jeder andere Wirtschaftstreibende kann auch ich nicht in die Zukunft sehen. Was ich aber sagen kann ist, dass die RTL Group bis dato keine signifikanten Auswirkungen der makroökonomischen Unsicherheiten zu spüren bekommen hat. Wohlgemerkt: wir sehen aktuell nur bis Oktober. Wie sich die Geschäfte im November, Dezember, Jänner entwickeln, können wir zum jetzigen Zeitpunkt nicht vorhersagen, und daher macht es auch keinen Sinn, darüber zu spekulieren. Bis dato jedenfalls läuft das Geschäft sehr gut.
Sie liefern regelmäßig enorme Gewinne an die Mutter Bertelsmann ab, bei Zukäufen gelten Sie trotzdem als zurückhaltend, manchmal ist auch von "zaudernd" zu lesen. Wie sehen Sie das? Welches sind die Märkte in Europa, die unter Beobachtung stehen?
Sie werden verstehen, dass wir Mitteilungen erst machen, wenn es einen Abschluss gegeben hat. Ja, wir liefern gute Gewinne, aber nicht nur an unseren Mehrheitsaktionär Bertelsmann, sondern auch an die acht Prozent der kleineren Minderheitsgesellshafter. Auch die freuen sich über die jährliche Dividende. Was die Zukäufe betrifft, sehe ich darin keinen Vorwurf, sondern vielmehr ein Kompliment. Die Sache ist relativ einfach: Wir sind nicht verzweifelt genug, zu überzahlen, nur um etwas zu bekommen. Wir haben zwei Regeln: eine mögliche Akquisition muss strategisch zu uns passen und es muss finanziell Sinn machen. Freilich gibt es andere Unternehmen, die zum Beispiel aus einer anderen Industrie kommen, die sie selber als nicht sehr zukunftsreich betrachten und deshalb gezielt in das Fernsehgeschäft expandieren wollen - unter diesen Voraussetzungen muss man auch bereit sein, für Zukäufe zu überzahlen. Unsere Situation ist eine ganz andere: Die RTL Group hat eine Größe und internationale Präsenz, mit der wir sehr gut leben können. Natürlich wollen wir weiter wachsen, natürlich wollen auch wir in neue Märkte gehen, aber es muss eben strategisch und finanziell passen.
Sie investieren in Ungarn, in Kroatien - was haben diese Länder, was der österreichische Markt nicht hat, weshalb RTL hier nicht einsteigt?
Wir sind in Ungarn mit RTL Klub die klare Nummer eins und haben nun mit der Akquisition von sieben Kabelsendern die Möglichkeit, eine starke Sender-Familie aufzubauen. In Kroatien liefern wir uns mit unserem Wettbewerber ein Kopf-an-Kopf-Rennen um die Marktführerschaft. Mal liegen wir vorne, mal die Konkurrenz. In Österreich ist der ORF zu dominant, um die Nummer eins zu werden. Aus heutiger Sicht planen wir daher nicht den Start eines RTL-Senders in Österreich. Hinter der Regel, dass wir in einem Markt entweder die Nummer eins oder zumindest eine starke Nummer zwei sein wollen, steht eine klare ökonomische Begründung: Man kann in einer Zeit, in der es sehr viele technologische Veränderungen und viele neue Angebote gibt, meiner Meinung nach nur dann seine Ziele erreichen, wenn man bei den Zuschauer-Marktanteilen ein gewisses Minimum erreicht. Das Minimum für unsere Senderfamilien sind 20 % der Zuseher, schöner wäre ein Marktanteil von 30 %, natürlich jeweils bezogen auf die werberelevanten Zielgruppen. Mit dieser Stärke können wir in jeder Hinsicht auf gleicher Augenhöhe reden und verhandeln - mit den Plattformbetreibern, Rechteinhabern und Media-Agenturen. Mit einem kumulierten Zuschauer-Marktanteil von nur fünf oder sechs Prozent hat man schlichtweg nicht die notwendige Stärke, es sei denn, man ist mit seinen Sendern ganz spezifisch thematisch aufgestellt.
Die RTLGroup hat sich jüngst in Indien engagiert. Wird man weiter am asiatischen Markt - und ewig lockt China - expandieren? Oder soll die Group ein europäischer Player bleiben.
Die RTL Group besteht einerseits aus mehr als 70 Fernseh- und Radiosendern, da waren wir bislang nur in Europa investiert. Andererseits agiert unsere Produktions- und Contentfirma FremantleMedia bereits global. Sie produziert in 22 Ländern, co-produziert in 54 Ländern und verkauft Formate in mehr als 180 Ländern. Jetzt haben wir uns entschieden, auch im Sendergeschäft einen ersten, vorsichtigen Schritt in einen anderen Kontinent zu machen. In Europa haben wir die kulturelle Kompetenz, in einem neuen Land rasch einer der führenden Player zu werden.
Asien ist da schon etwas anderes, Lateinamerika auch. In Indien starten wir in den kommenden Monaten - gemeinsam mit einem starken lokalen Partner - zwei thematische Kanäle. Damit ist das Risiko ist begrenzt. Gleichzeitig sind die Chancen, die wir langfristig in Asien haben, enorm. Deswegen versuchen wir es.
Ist auch Lateinamerika für die RTL Group ein Thema?
Grundsätzlich sind alle Kontinente ein Thema, aber es hat schon seinen Grund, warum wir nach Europa zuerst nach Asien schauen. Schlicht und einfach, weil dort die Wachstumsdynamik und auch die Möglichkeiten für eine ausländische Gruppe größer sind. Wenn Sie die beiden größten TV-Märkte in Lateinamerika ansehen, Brasilien und Mexiko, dann ist es dort relativ schwer, Fuß zu fassen - schon aufgrund der Mediengesetzgebung und der Beschränkungen für ausländische Investoren.
Wie weit sind programmliche Synergien bei solch unterschiedlichen Märkten noch möglich?
Wie gesagt, wir beginnen in Asien mit zwei thematischen Kanälen. Keine Frage, am Anfang spielen wir da nicht in der 1. Liga. Wir wollen vorsichtig Fuß fassen. Das ist nicht zu vergleichen mit RTL Television in Deutschland oder M6 in Frankreich. Aber mit FremantleMedia haben wir bereits einen Programm-Grundstock für diese Sender. Der Rest wird zugekauft oder produziert.
Zurück nach Europa: Sie haben angekündigt, dass wieder verstärkt ins Programm investiert werden soll. Können Sie eine Größenordnung nennen? Und in was soll investiert werden?
Lassen Sie mich die Entwicklung der Programminvestitionen einmal mit einem Formel-1-Rennen vergleichen, denn das passt gut zu RTL. Wenn Sie mit einen Formel-1-Auto in die Kurve fahren, müssen Sie kurz und heftig bremsen - das war, umgelegt auf die wirtschaftliche Situation, im Jahr 2009 deutlich der Fall. Dann sind Sie mitten in der Kurve, da geben Sie noch nicht richtig Gas - das galt für 2010. Schließlich sind Sie am Ende der Kurve und beginnen wieder Gas zu geben. Der Prozentsatz, um den wir im Jahr 2011 die Investitionen ins Programm erhöhen, ist allerdings im niedrigen einstelligen Bereich. Denn anders als die Formel-1-Fahrer kennen wir den weiteren Kurs - also die wirtschaftliche Entwicklung in den Jahren 2012 und 2013 - noch nicht. Deshalb sind wir vorsichtig. Wir haben 2009 bewiesen, dass wir unsere Kosten flexibel anpassen können an die wirtschaftliche Situation und an die Werbeeinnahmen.
Was funktioniert im Programm - Show, Fiction, Sport, News?
Ein großer Sender wie RTL Television muss in allen Bereichen funktionieren und stark sein. Kurzum, wir brauchen auch alles: die große Show, die täglichen Nachrichten, den Fictionbereich mit Film und Serien ebenso wie den Non-Fiction-Bereich mit Reportagen und Doku Soaps. Und natürlich gehören auch Sportprogramme dazu - aber sie müssen zur Marke RTL passen. Das ist einerseits die Formel1, die gerade zu prägend für die Marke RTL ist. Und andererseits setzen wir gezielt auf große Sportevents wie die Klitschko-Kämpfe mit 11 Mio. Zusehern und mehr - oder auch sieben, acht Spiele bei Fußball-Welt- und Europameisterschaften. Zusammengefasst: für die Nummer eins RTL kommt immer nur Nummer-eins-Sport in Frage.
Wie sehen Sie eigentlich die Entwicklung im Sportrechte-Bereich? Eben hat ja in Deutschland das ZDF SAT.1 bei der Champions League ausgestochen.
Entschuldigung, wir leben in einer Konkurrenzsituation. Jeder Rechteinhaber hat in jenen Ländern, in denen die RTL Group tätig ist, mindestens zwei oder drei Auswahlmöglichkeiten. Für die Inhalte, die wir wollen, müssen wir den Marktpreis zahlen. Mit diesem intensiven Wettbewerb leben wir seit vielen Jahren - und wir leben gut damit.
Wie relevant sind die Nachrichten, eigentlich eine Domäne der Öffentlich-Rechtlichen für Privatsender?
Nachrichten sind für alle großen Sender ein ganz wichtiger Bestandteil. Zur Illustration: "RTL aktuell" hat mehr Zuschauer als "heute" im ZDF - nicht nur in der jungen Zielgruppe, sondern auch beim Gesamtpublikum, also über alle Altersgruppen hinweg.
RTL-Chefredakteur Peter Kloeppel wurde nicht nur zum beliebtesten, sondern auch zum kompetentesten Nachrichten-Moderator gewählt. Natürlich ist Peter Kloeppel eine Ausnahmeerscheinung - aber dieses Vertrauensvotum ist auch darin begründet, dass RTL Television seit vielen Jahren konsequent in Nachrichten investiert. Zwar kann man mit Nachrichten kein Geld verdienen, aber sie sind für unsere Positionierung ausgesprochen wichtig. Und das gilt nicht nur für RTL Television in Deutschland, sondern auch für RTL 4 in den Niederlanden oder RTL-TVI in Belgien. In Frankreich hat M6 eher spät damit begonnen, eine Hauptnachrichten-Sendung am Abend auszustrahlen. Mittlerweile aber hat dieses Format, "Le 19.45", mitunter mehr Zuschauer in der Zielgruppe als der öffentlich-rechtliche Wettbewerber. Nachrichten sind einfach ein wichtiger Orientierungs-Anker im täglichen Programm.
Der Fiction-Bereich ist extrem US-lastig, gerade auch was Serien betrifft. Sie haben sich ja angeblich bei den LA Screenings binnen vier Tagen 50 Stunden Programm gegeben. Was haben Sie da gesehen, was in Europa nicht zu machen ist, und was sehr wohl?
Diese Möglichkeit, mir in möglichst komprimierter Form die neuesten US-Produktionen anzuschauen, nutze ich bereits seit vielen Jahren. Zur Ihrer Frage nach der Bedeutung der US-Serien: Wenn man sich die Entwicklung der Primetime bei RTL Television seit 1999 ansieht, gab es immer wieder langfristige Veränderungen. Ende der 90er Jahre wurden praktisch keine US-Serien gezeigt, aber sehr viele in Deutschland produzierte Serien. Ab 2002, 2003 gab es in der Primetime schon mehrere US-Serien - eine Entwicklung, die stark mit dem Erfolg der "CSI"-Serien zusammenhängt. In den Jahren 2007 und 2008 erreichten die US-Serien dann ihren Höhepunkt, und zwar überall in Europa. Ob in Deutschland oder Frankreich, die amerikanischen Serien erzielten starke Quoten, während nur wenige lokale Serien Erfolg beim Publikum hatten. Die einzigen Ausnahmen waren Spanien und England. Heute sind wir gerade wieder am Wendepunkt. Die Bedeutung der US-Serien nimmt ab und die der lokal produzierten Serien wieder zu. Der Geschmack des Publikums ändert sich und damit auch die Produktions- und Auftragsvergabe bei den Sendern. In den nächsten Jahren wird wieder stärker in lokale Fiction, Drama-Serien und Sitcoms investiert werden, dieser Trend hat bereits begonnen.
Im Film-Bereich gewinnt man den Eindruck, dass die Zeit, wo Blockbuster im TV Superquoten erreichten, vorbei ist. Täuscht das? Was ist das Gegenmodel zu Hollywood-Filmen?
Bei den großen Sendern sind die Hollywoodfilme schon seit mehr als zehn Jahren eine Minderheit im Programm. Das gilt in Deutschland etwa für ARD, ZDF und RTL Television. Je kleiner allerdings ein Sender ist, umso mehr benötigt er auch Hollywood-Filme. Bei den Hollywood-Blockbustern ist es ja so, dass die Ausstrahlung im Free-TV erst an dritter, vierter Stelle in der Verwertungskette kommt: Zuerst die Aufführung im Kino, dann kommen das Pay-TV und der Home-Entertainment-Bereich - und erst nach zwei bis drei Jahren kommen die Filme ins Free-TV. Da ist klar, dass ein Sender selbst mit Blockbustern nicht mehr 50 Prozent Marktanteil bei den Zuschauern erreichen kann. Und dennoch bleiben sie als Event-Programme, als Highlights eine wichtige Programmfarbe.
Gerhard Zeiler: Wien und die Welt
Zur Person Gerhard Zeiler wurde 1955 in Wien geboren. Er war Journalist, Kanzler-Sprecher und ORF -General. 1998 wurde er RTL -Geschäftsführer, 2003 Vorstandsvorsitzender der RTL Group . Er sitzt zudem im Vorstand von Bertelsmann.
Zum Unternehmen Die RTL Group betreibt 41 TV- und 34 Radiosender in 10 europäischen Ländern. Jüngst ist sie in den indischen Markt eingestiegen. Umsatz im 1. Halbjahr 2011 2,75 Mrd. Euro, der Netto-Gewinn stieg um 24 Prozent auf 382 Mio. Euro.
Eine Branche beleuchtet den "Mut"
Gesellschaft und Menschen brauchen Mut: zur Fantasie, zum Unternehmen, zur Bildung. Dem Generalmotto "Mut" widmen sich die 18. Österreichischen Medientage, die kommende Woche (von 27. bis 29. 9.) in der Wiener Stadthalle gemeinsam mit dem Online Day Austria stattfinden.
Zu den Keynote-Rednern der Medientage gehören der Philosoph Ernst Ulrich von Weizsäcker, Kolumnist Nicholas Carr und Bodo Hombach, Geschäftsführer der WAZ -Gruppe.
Hochrangige Branchenvertreter diskutieren dann über brennende Themen der Medienwelt. KURIER-Chefredakteur Helmut Brandstätter moderiert ein Panel zur Zukunft des Fernsehens mit u. a. Staatssekretär Josef Ostermayer. KURIER-Geschäftsführer Thomas Kralinger ist unter den Diskutanten zum Thema "Verlage und ihre neuen Geschäftsfelder".
Weiters werden die zunehmende Digitalisierung in der Medienbranche, Angebote für junge Zielgruppen, das richtige Maß an Society-Berichterstattung oder Sportübertragungen aufs Handy näher beleuchtet.