Filmkritik zu "Wicked": Zauberinnen auf dem Weg nach Oz - mit Ariana Grande
Von Alexandra Seibel
„Wicked“ ist seit seinem Filmstart ein Musical der Superlative – vor allem an den Kinokassen. In den USA sorgte es für Rekordsummen und lieferte global mit bislang 455,5 Millionen Dollar – hinter „Vaiana 2“ und vor „Gladiator II“ – glänzende Einspielergebnisse.
Tatsächlich ist „Wicked“ erfolgsverwöhnt. Das Musical, das thematisch die Vorgeschichte zum legendären Musikfilm „Der Zauberer von Oz“ erzählt, debütierte 2003 am Broadway und spülte weltweit 3,5 Milliarden Dollar in die Theaterkassen. Seither wurde die Geschichte über die Freundschaft zweier Hexen, über Diskriminierung und Selbstermächtigung von über 65 Millionen Menschen gesehen.
In seiner (sehr) langen Kinoadaption, noch dazu in zwei Teilen – die Fortsetzung wird im November 2025 erwartet –, hat Regisseur Jon M. Chu („Crazy Rich“) ziemlich viel richtig gemacht. Es beginnt mit der inspirierten, stimmenstarken Hauptbesetzung: Pop-Sensation Ariana Grande spielt Glinda, die „gute Hexe des Nordens“ und allseits beliebte Blondine in rosa Tüll. Als ihre Gegenspielerin stellt sich Cynthia Erivo als Elphaba, „böse Hexe des Westens“, mit grünem Gesicht und schwarzem Spitzhut in die Ecke der Außenseiter. Im Original-„Oz“-Film sind die beiden in ewiger Feindschaft vereint.
„Wicked“ jedoch geht einen Schritt zurück und erzählt die Vorgeschichte der beiden jungen Frauen, die sich auf der Universität Glizz – vergleichbar mit Harry Potters Internat Hogwarts – kennenlernen. Glinda liegen alle und alles zu Füßen. Sie ist die beliebteste Schülerin und erinnert in ihrer freundlichen Herablassung ein wenig an Alicia Silverstone in „Clueless“. Leider erweist sie sich als talentloser Zauberlehrling, gibt aber die Hoffnung auf magische Erweckung nicht auf.
Als echtes Hexen-Naturtalent hingegen erweist sich die grüngesichtige Elphaba, die aber in der Schule aufgrund ihrer Hautfarbe verachtet wird. „Nein“, sagt sie lakonisch, wenn die Leute sie perplex angaffen: „Ich bin nicht seekrank. Und ich habe auch als Kind kein Gras gegessen.“
Glinda und „Elphi“ bekommen das gleiche Zimmer – einen Albtraum in Rosa – zugeteilt. Zuerst sind sie sich spinnefeind, ehe so etwas wie Freundschaft ausbricht.
Handgebaute Kulissen
Regisseur Chu hat sein fettes Produktionsbudget von über 300 Millionen Dollar (für beide Teile) klug eingesetzt. Anstelle allzu vieler Spezialeffekte ließ er aufwendige, farbenfrohe Filmsets bauen. In seinen prächtigen Kulissen – venezianische Schlösser!, königliche Gemächer!, rotierende Bibliotheksregale! – fühlt sich das opulente Fantasy-Abenteuer greifbar handgemacht an.
Beschwingte Tanzchoreografien in den Technicolor-Farben des Originalfilms und beseelter Gesang verkürzen die Ansicht der monumentalen Musicallänge (zumindest ein wenig).
Sowohl Grande als auch Erivo beweisen nicht nur ihre eindrucksvolle Gesangsmacht, sondern bringen glaubhaft die aufkeimende Frauenfreundschaft zum Leuchten. Während Grande mit einem Bein in der Komödie spielt, glimmen in Erivos Augen die traurigen Tiefen der gelernten Außenseiterin auf. Richtig düster wird es, wenn die Faschismuswolke über das Land zieht. Rassistische Gesetze und Berufsverbote werden erlassen, um die bis dahin gleichberechtigte Tierwelt auszuschalten und zu kasernieren.
„Wer die Menschen zusammenbringen will, muss ihnen ein gutes Feindbild liefern“, verkündet Jeff Goldblum als verschlagener Zauberer von Oz. Heutzutage muss man kein Magier mehr sein, um das zu wissen.
INFO: USA/JPN/KAN/ISL/GB 2024. 160 Min. Von Jon M. Chu. Mit Ariana Grande, Cynthia Erivo.