Kultur

Filmfestival: Cannes ist tot. Lang lebe Cannes

Und wieder wird es heuer keinen Netflix-Film in Cannes geben. Der Streaming-Riese und das bedeutsamste A-Filmfestival der Welt haben keinen Kompromiss gefunden. Schon im letzten Jahr kam es zum Eklat: Zwar hatte sich das Festival bereit erklärt, Netflix-Filme zu zeigen – allerdings außer Konkurrenz; für den Kampf um die Goldene Palme wurden sie nicht zugelassen.

Der Grund liegt darin, dass nur solche Filme in die Auswahl des Palmen-Wettbewerbs dürfen, die einen französischen Kinostart haben. Hinzu kommt, dass laut französischem Recht ein Film mit Kinostart drei Jahre lang nicht Online gezeigt werden kann. Für Netflix inakzeptable Bedingungen. Content-Chef Ted Sarandos zog alle Netflix-Filme aus dem Cannes-Programm zurück – darunter auch den später hoch akklamierten Oscar-Film „Roma“ von Alfonso Cuarón, der seine Premiere dann in Venedig feierte.

Heuer hat Netflix dem Festival gar keinen Film mehr angeboten. Und einige der heiß gehandelten Arbeiten dieser Saison werden wieder nach Venedig oder Toronto gehen, darunter „The Irishman“ von Martin Scorsese mit Robert De Niro und Al Pacino, Steven Soderberghs „The Laundromat“ mit Meryl Streep und Noah BaumbachsThe King“.

Cannes hält also – im Gegensatz etwa zu Venedig – daran fest, dass es nur jene Filme mit der höchsten Palmen-Ehrung beschenkt, die auch ein Kinoerlebnis garantieren – also „echte“ Kinofilme sind. Und lässt sich dadurch hochkarätige Filme durch die Lappen gehen.

Was bedeutet nun diese Entscheidung und die Abwesenheit von Streamingdienst-Filmen für das Festival? Haben amerikanische Medien recht, die Cannes letztes Jahr praktisch für tot erklärt haben? Marginalisiert sich das Festival dadurch selbst? Büßt es empfindlich an (amerikanischem) Glamour ein?

Tarantino

Einer der besten Nachrichten, die Thierry Frémaux in dieser Hinsicht für sein heuriges Programm verkünden konnte, lautete: Der neue Film von Quentin Tarantino, „Once Upon a Time in Hollywood“, wurde doch noch rechtzeitig fertig und läuft im Wettbewerb. Was für ein Glück. Das US-Branchenblatt Variety hatte dem Festival indirekt gedroht, es könne quasi einpacken, wenn es ihm nicht gelänge, den neuen Tarantino an die Côte d'Azur zu holen.

Tarantino unterhält seit Beginn seiner Karriere ein enges Verhältnis zu Cannes und gewann vor 25 Jahren für sein bahnbrechendes „Pulp Fiction“ die Goldene Palme. Nun bringt er mit seiner Late-Sixties-Charles-Manson-Story „Once Upon a Time in Hollywood“ nicht nur einen (hoffentlich) hochkarätigen Film mit nach Frankreich, sondern auch Großkaliber wie Brad Pitt, Leonardo DiCaprio, Al Pacino und Margot Robbie auf den roten Teppich.

Allein mit diesem Staraufgebot kann Frémaux den in letzter Zeit gern erhobenen Vorwurf entschärfen, sein Festival habe an Glamour eingebüßt und an Event-Größe verloren. Tatsächlich gab es weniger Präsenz von US-Studio-Produktionen an der Cote d’Azur, die sich ihre Filme lieber für Premieren zeitnah zur Oscar-Preisverleihung aufheben wollen .

Doch nun haben sich nicht nur Elton John (für seinen Biopic-Film „Rocketman“) und Diego Maradona als Star einer Doku angekündigt, sondern auch Sylvester Stallone, der für „Rambo“-Rummel sorgen soll. Stallone bringt Schnipsel aus seinem neuen „Rambo V – Last Blood“ an die Croisette und zeigt sie im Zuge eines Special-Screenings. Danach kommt die restaurierte Fassung von „Rambo – First Blood“ (1982) zur Aufführung.

Vielversprechend

Und wie sieht es im Wettbewerb aus? Das heurige Programm bietet eine wilde Mischung an großen Namen typischer Cannes-Stammgäste und überraschenden Neuankömmlingen. Vier Frauen befinden sich im Hauptwettbewerb, darunter die österreichische Regisseurin Jessica Hausner mit ihrem Sci-Fi-Horrorfilm „Little Joe“ (siehe unten). Unter den Neustartern ist auch die französisch-senegalesische Regisseurin Mati Diop, die mit ihrem Regiedebut „Atlantique“ als erste schwarze Frau am Wettbewerb teilnehmen wird.