Kultur

Essl Museum: Nachruf auf ein Kunstbiotop

Erinnern Sie sich noch an Ihr erstes Erlebnis mit Kunst? Oder an Ihr intensivstes, im Positiven wie im Negativen?

Was aus dem Zusammentreffen von Menschen mit Kunstwerken erwächst, lässt sich nicht in Ausstellungskatalogen oder auf Auktions-Ergebnislisten ablesen, auch Kunstkritiken stellen immer nur eine Momentaufnahme dar. Die emotionale und intellektuelle Saat – und eine solche ist Kunst zweifellos – bahnt sich ihre eigenen Wege, über kurz und lang, sie kann aufgehen oder auch nicht. Fest steht: Der Humus, das Umfeld, spielt immer eine entscheidende Rolle.

Das Essl Museum in Klosterneuburg, das mit dem heutigen Tag seinen Museumsbetrieb schließen wird, wird in absehbarer Zukunft ein trockengelegtes Biotop, ein leerer Blumentopf sein. 17 Jahre lang bot es der Kunst einen fruchtbaren Boden.

Prägende Erlebnisse

Es lässt sich nicht erheben, wie viele Menschen hier schöne Tage verbracht haben, an einem Sonnentag auf der Terrasse des Cafés saßen, ein „Aha“-Erlebnis bei einer Führung hatten oder sich ganz allein in den wunderbar hohen, lichten Schausälen verloren. Wie viele Kinder sich irgendwann daran zurückerinnern werden, dass sie sich beim Malen im Atelier, dem Herumtollen im Innenhof, dem Streunen durch die Galerien wohlgefühlt haben, wird man vielleicht erst bemerken, wenn man ihnen als Erwachsene die Frage nach dem ersten Kunst-Erlebnis stellt.

Auch wenn das Essl Museum nie Besucherzahlen publizierte und die Saat vielleicht nur bei einem Bruchteil der Besucher und Besucherinnen aufging, ermöglichte das Haus zweifellos Tausenden Menschen ein nachhaltiges Kunst-Erlebnis. Und es war nicht allein der schöne „Blumentopf“ – das preisgekrönte, von Architekt Heinz Tesar geplante Gebäude – dafür verantwortlich: Die architektonische Hülle war gefüllt mit Licht, Luft und einem speziellen Substrat aus Engagement und ehrlicher Kunstbegeisterung, die vom Sammler-Ehepaar und allen Mitarbeitern mitgetragen wurde.

In dieser Atmosphäre, die sich nie dazu anschickte, groß mit akademischen Diskursen, ausgestellter Coolness oder Repräsentationsgesten zu punkten, konnte jeder Mensch Kunst nach seiner Fasson begegnen. Und nicht nur Familien und Kinder nahmen das niedrigschwellige Angebot an, auch Kunstschaffende, Literaten, Musiker und Musikerinnen fühlten sich im Essl Museum wohl.

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Das Coole und Repräsentative kam eher nebenbei: Malerstar Albert Oehlen kuratierte hier, Neo Rauch und Rosa Loy stellten aus, Georg Baselitz, Anselm Kiefer und die Heroen heimischer Kunst von Nitsch bis Scheibl sowieso. Dass das Ehepaar Essl immer wieder bewusst Künstler und Künstlerinnen vor den Vorhang holte, die gerade nicht „angesagt“ waren – man denkt an Ausstellungen von Franz Zadrazil oder Wolfgang Herzig zurück – ist ein kunsthistorisches Verdienst.

Lager für intellektuelles Saatgut

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Es ist der Tod eines Ökosystems, der angesichts der Schließung des Essl Museums zu beklagen ist. Natürlich gibt es auch andere schöne Museen, und das „Saatgut“, die Kunstsammlung, bleibt bestehen: Einiges davon wird vielleicht im renovierten Wiener Künstlerhaus blühen können, einiges bei anderen Besitzern – denn die Notwendigkeit zu Verkäufen zur Tilgung des mithilfe der Stiftung von Hans Peter Haselsteiner aufgenommenen Kredits zur Erhaltung des Kernbestands der Sammlung besteht weiterhin.

Dass Kunst aber im Vakuum nicht existieren kann, sondern Räume, Menschen und materielle wie ideelle Pflege braucht, sollten weder jene vergessen, die politisch Verantwortung für das Ökosystem „Kultur“ tragen, noch jene, die denken, das Engagement für Kunst erschöpfe sich in deren Besitz. Das Essl Museum war ein Ort, an dem Kunst wuchs. Vielleicht können andere Gärtner eines Tages dort wieder etwas zum Blühen bringen.

Info: Das Essl Museum ist am 30.6. noch bis 18 Uhr geöffnet. Ab 16 Uhr ist eine Abschlussperformance angekündigt.

Bilder: Die Preziosen der Sammlung Essl

Bei österreichischer Kunst seit 1945, aber auch bei internationaler Gegenwartskunst war das Sammlerpaar teilweise ganz vorne dabei.

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