"Einmal schwerelos und zurück": Der letzte Sternengucker der Cité Gagarine
Von Susanne Lintl
Manche Bilder sind märchenhaft. Wie Traumsequenzen von einem besseren Leben. Wenn der 16-jährige Yuri wie sein großes Idol Yuri Gagarin schwerelos durchs All schwebt und sich an der Schönheit der stillen Sternenpracht ergötzt.
Yuri träumt diesen Traum in der Cité Gagarine, einer in den Sechzigerjahren errichteten Vorzeigesiedlung im Pariser Vorort Ivry. Seinerzeit mit großer Euphorie und als soziales Vorzeigeprojekt eröffnet, ließ die Stadtverwaltung den fast durchwegs von Ausländern belegten Sozialbau in der Banlieue verkommen. Irgendwann waren die Schäden an den Gebäuden so groß, dass eine Sanierung unrentabel war. Im Jahre 2019 wurde die Cité Gagarine abgerissen.
Feinfühlig
Was die Menschen dort verbunden hat, wie sie trotz aller Konflikte zusammenhielten und sich gegenseitig halfen, dagegen ankämpften, ihre Würde zu verlieren, ist der Grundton, der sich durch dieses feinfühlige Vorstadtdrama zieht. Yuri stemmt sich gegen die erdrückende Realität aus Einsamkeit, Vernachlässigung der Mutter und Geldnot. Eine wichtige Stütze dabei ist ihm seine Freundin Diana, die aber schließlich auch mit ihren Eltern geht, den Baggern weicht. Nur Yuri bleibt zurück.
Trotz aller Tristesse prägt den Film eine tröstliche und positive Grundstimmung. Er zeigt eine fantasievolle, oft abgehobene Sicht auf das Leben, wie sie Teenagern zu eigen ist. Die Cité Gagarine ist Geschichte. Die poetischen Filmbilder bleiben.
Einmal schwerelos und zurück. F 2020. 95 Min. Von Fanny Liatard und Jérémy Trouilh. Mit Alséni, Bathily, Lyna Khoudri.