Kultur

Eine müde Klassenfahrt in den Tod

Das waren halt noch Zeiten: Im September 2007 eröffnete das Burgtheater seine Spielzeit mit "Romeo und Julia" in einer Inszenierung von Sebastian Hartmann (nicht verwandt, nicht verschwägert). Im Vorfeld hatte der Regisseur großspurig verkündet, er finde das Stück uninteressant. Die Aufführung wurde von einem Buh-Orkan weggeblasen. "Am Ende metzelt Romeo eine Melone nieder, und dann hüpfen alle nackt im Totenreich herum, werfen mit Leichenteilen und schnackseln. Erbärmlich", schrieb der Autor dieser Zeilen. (Aber lustig war das damals schon, man wird fast nostalgisch beim Nachlesen.)

Im Oktober 2011 versuchte es die Burg noch einmal. Und David Bösch gelang eine faszinierende, jugendliche Fassung, in der die Tragödie als Besuch auf dem Abenteuerspielplatz interpretiert wurde. "Mit dem heiligen, zarten Ernst, den nur Kinder aufbringen, widmen sich Romeo und Julia dem letzten großen Spiel, dem Sterben", urteilte der KURIER-Kritiker damals.

Im Blaguss-Bus

Jetzt wagte sich das Volkstheater an die berühmteste Liebesgeschichte der Welt diesseits von "50 Shades Of Grey". Bei "Romeo und Julia" gibt es immer zwei grundsätzliche Probleme. Erstens: Das Stück ist so berühmt, dass jeder seine ganz private Version davon im Kopf hat, in der er eine der Hauptrollen mit sich selbst besetzt. Zweitens: Romeo und Julia sind bei Shakespeare Teenager um die 14. Wie spielt man das im Theateralltag mit 30-jährigen Schauspielern?

Regisseur Philipp Preuss hatte eine Idee, die zwar nicht neu ist, aber schöne Möglichkeiten eröffnet: Es gibt drei Julias und drei Romeos. Die entstehenden Gruppen erzeugen eine Atmosphäre der Jugendlichkeit. Die Romeos benehmen sich halbstark, die Julias kichern, man fühlt sich wie im Blaguss-Bus auf dem Weg zum Skikurs.

Und genau das ist "Romeo und Julia" ja in Wahrheit auch: Eine Klassenfahrt zur großen Liebe, die mit dem Tod endet (sonst würde sie halt am Abschlussabend des Skikurses enden, wenn Romeo dann doch lieber mit der Lisalena-Jacqueline aus der 4B schmusen will).

Obwohl die Darsteller (Thomas Frank, Kaspar Locher und Nils Rovira-Muñoz als Romeo; Katharina Klar, Nadine Quittner und Stefanie Reinsperger als Julia) mit ansteckender Begeisterung spielen, geht das Konzept leider nicht auf. Die Verdreifachung der Rollen wirkt eher redundant und lähmend, als dem Thema "jugendlicher Liebeswahn" Varianten hinzuzufügen. Viel zu selten werden Möglichkeiten wie diese durchprobiert: Die aufsässigste Julia trinkt nicht drei Tropfen des Betäubungsmittels, sondern gleich die halbe Flasche – folglich wacht sie zum Finale nicht mehr auf.

Preuss hat den Text drastisch gekürzt – und beim Streichen einige Handlungsfäden gekappt. So wird einfach nicht erklärt, warum Romeo Julia für tot hält (weil ihn eine Nachricht nicht erreicht hat). Beipackzetteltheater dieser Art hat immer etwas Arrogantes an sich: Wenn sich die Zuschauer nicht auskennen, dann sind sie selber schuld, hätten sie sich halt besser einlesen sollen!

Warum die Bühnendeko in erster Linie aus jeder Menge Pianos besteht, erschließt sich ebenfalls nicht – die Musik von Kornelius Heidebrecht wirkt zum Teil eher störend als verstörend.

Vom Premierenpublikum gibt es einige Bravos, einige Buhs und dazwischen eher müden Applaus für eine jugendlich-sympathische, aber auch ein bisschen schauspielschulenhafte Inszenierung.