Dylan Moran: Granteln zur Völkerverständigung
Von Karl Oberascher
Kuchen, Familie, Iren, Wiener, Sex: Kein Thema, über das Dylan Moran nicht wunderbar pointiert seine Grant ablassen könnte. Der Verzehr des einen (Kuchen) ist nur Ausdruck der Resignation im Alter, das andere (Familie) verzehrt dein Privatleben. So oder so. Nichts wird besser. Im Gegenteil.
Mit seiner grantig-fatalistischen Einstellung zählt der irische Stand Up Comedian zu den profiliertesten Vertretern seiner Art. Anfang der Nullerjahre wurde er mit der von ihm mitentworfenen Sitcom "Black Books" über die Grenzen seiner irischen Heimat hinaus bekannt. Dort spielte er – ganz seinem (allerdings sympathischeren) Bühnen-Alter-Ego entsprechend - einen misanthropischen Buchhändler. Dazu kamen Rollen in den Kino-Komödien "Shaun of the Dead" und "Run, Fatboy, Run" mit Simon Pegg.
Denn dorthin - genauer: ins restlos ausverkaufte Gartenbaukino - führte Dylan Moran die Tour zu seinem aktuellen Programm "Yeah, Yeah". Der KURIER traf einen äußerst entspannten Dylan Moran kurz nach seiner frenetisch gefeierten Show:
Herr Moran, sie haben vor wenigen Tagen in Prag gespielt, waren heute in Wien und spielen übermorgen schon wieder in Zagreb. Sie haben heute Abend auch immer wieder über Wien gesprochen. Woher bekommen Sie die ganzen Informationen?
Dylan Moran: Ich erzähle immer gerne darüber, wo wir sind: Über das Leben der Menschen. Und eben auch über die Stadt, in der sie wohnen. Am einfachsten bekomme ich meine Informationen, indem ich mit den Menschen spreche. Was sind ihre Vorstellungen? Was ist kürzlich passiert? Das ist fast schon journalistisch. Das ist die eine Sache – und dann habe ich natürlich auch noch meine ganzen Vorstellungen über ein Land, die ich so mitbringe. Außerdem spreche ich einfach gerne darüber, was die Iren von den Engländern halten, oder die Österreicher von den Deutschen oder die Iren von den Österreichern.
Und was hält der Ire von den Österreichern?
Also bevor ich jetzt antworte: Ich war nur einen Tag hier. Mein Eindruck ist also sehr oberflächlich. Für so eine großartige Stadt wie Wien bräuchte man eigentlich mehr Zeit. Wien hat einfach so viele Facetten. Es gibt genügend andere Orte auf dieser Welt, wo das nicht so ist. Amerika ist so ein Beispiel: Die Amerikaner wurden nie erobert. Sie mussten nie mit anderen Einflüssen umgehen, in der Hinsicht könnte man es auch das "jungfräuliche" Land nennen.
Sie haben in ihrem Programm immer wieder auf das positive Amerika referiert. Jeder sei zu 300 Prozent bei der Sache. Die Europäer seien im Schnitt mit 14 Prozent dabei. An sehr guten Tagen vielleicht mit 16.
Ja, weil das die einzige Sache ist, die sie kennen. Sie mussten nicht mit den Problemen kämpfen, mit denen ein Land wie Österreich zu kämpfen hatte. Sie mussten sich nie definieren. Nicht wie Österreich, wo man sagte 'Wir sind keine Deutschen, aber was meinen wir damit, wenn wir das sagen'. Die Stereotype über Österreich sind sehr viel interessanter als viele andere Stereotype über andere Länder. Zum Beispiel sollen die Österreicher sehr nachdenkliche Menschen sein.
Wirklich?
Wenn man genau hinsieht, dann hat Österreich für so ein kleines Land extrem viele schlaue Köpfe hervorgebracht. Sogar revolutionäre Denker. In der Philosophie, der Psychoanalyse, der Kunst. Österreich war immer in diesem Spannungsfeld zwischen visionärem und kleinbürgerlichem Denken. Das sieht man auch in der Politik. Du hast zum einen die große Koalition – und zum anderen auch diese freiheitliche Partei (FPÖ) – und das sind alles Idioten. Zumindest, wenn es nach mir und großen Teilen Europas geht. Diese Politik ist verschlüsselter Faschismus. Es ist Faschismus mit dem Gesicht bürgerlicher Achtbarkeit – aber wir wissen, was dahinter steckt. Es ist eine Politik, die auf Stimmungen, auf Emotionen, Populismus und Furcht basiert. Das ist alles, was es ausmacht. Dahinter gibt es nichts anderes. Es ist die schiere Furcht vor der Welt.
Und sie glauben, dass Vorurteile über andere Nationen und die eigene Nation, wie Sie sie in ihrem Programm erzählen, dabei helfen, diese Furcht zu überwinden?
Wir müssen in einfachen Begriffen und Bildern miteinander reden. Zu Beginn. Davon ausgehend kann der Dialog starten. Diese Basis muss ich auf der Bühne erst herstellen. Ich will, dass Österreicher in mein Programm gehen können und etwas hören, wo sie anschließen können.
In Österreich hat Stand Up Comedy keine große Tradition. Die Österreicher sind stolz auf ihr Kabarett. Haben Sie schon einmal davon gehört?
Ja, ich kenne den Begriff. Es ist diese sehr politische Unterhaltung. Aber die Leute mit denen ich gesprochen habe, haben gesagt, es sei nicht lustig.
Es gibt natürlich auch lustige Kabaretts. Auf der anderen Seite haben vor allem deutschsprachige Comedians den Ruf, seichte Unterhaltung zu bieten.
Ich weiß. Mir geht es darum, diese beiden Ansätze zu verbinden. Ich hoffe, das funktioniert. Mein Programm soll so sein wie eine Unterhaltung in der Küche. Es ist ein Uhr nachts, man hat gemeinsam eine Flasche Wein geleert, man trinkt gerade die zweite und jeder sagt, was er wirklich denkt. Diese Stimmung will ich in meinem Programm erzeugen.
Sind Sie nervös, wenn Sie vor ein Publikum treten, das Sie vielleicht gar nicht so genau kennt und Ihre Sprache zumindest nicht als Muttersprache spricht?
Naja. Wir Comedians sind Adrenalin-Junkies. Die Angst ist mit ein Grund, weshalb du diesen Job machst.
Sind Sie eigentlich auch privat ein Grantler? In Ihrem Programm fallen Sie ja nicht gerade durch wohlwollendes Verständnis für ihre Mitmenschen auf.
(Lacht) Nein, gar nicht. Das ist meine Bühnenfigur.
Also muss man grantig auf der Bühne sein, um lustig zu sein? Oder wäre es auch vorstellbar als durch und durch positiv gestimmter Mensch Stand Up Comedy zu machen?
Immerwährender Sonnenschein ist einfach nicht lustig.
Die Schattenseiten des Lebens sind lustiger?
Ja, das sind sie. Es ist wie bei Tolstoi. Alle glücklichen Familien sind gleich glücklich – alle unglücklichen sind es auf ihre eigene Art. Das ist der Beginn aller Geschichten. Glück ist das, woran du dich nicht erinnerst. Du erinnerst dich vielleicht an Details, an besondere Momente, die dich aus dem Alltag reißen. Aber darum geht es in der Comedy nicht. In der Comedy geht es um den Alltag – und den Versuch daraus zu entkommen.
Gibt es eigentlich so etwas wie ein Sicherheitssystem für Comedians? Ein Scherz, der immer verlässlich funktioniert, egal vor wo er gerade spielt?
Das ist eine gute Frage. Und jeder Comedian wird darauf wohl eine andere Antwort geben… (überlegt) Für mich ist es die Differenz zwischen der Hoffnung und der Realität. Das ist der Raum, in dem ich arbeite. Und da will ich bleiben. Denn das ist der Ort, wo das Leben passiert.
Und umgekehrt: Gibt es ein Thema, das man auf jeden Fall vermeiden sollte?
Nein. Es geht immer nur um die Art und Weise. Michael Haneke zum Beispiel hat keine Angst vor schwierigen Themen, weil er sie auf seine sensible und großartige Art und Weise behandelt.
Können Sie sich eigentlich vorstellen noch einmal so etwas wie "Black Books" zu machen?
Nein, Black Books ist abgeschlossen. Aber ich arbeite an etwas Neuem fürs Fernsehen.
Danke für das Gespräch.