Kultur

Die Unkultur, Kunst unter den Tisch fallen zu lassen

Die Grünen haben aufgegeben. Und zwar die Kultur in Wien. Auf der Webseite wird das rot-grüne Regierungsprogramm unter dem Titel „Eine Stadt, zwei Millionen Chancen“ gerafft vorgestellt. Da ist von der Lobau als Nationalpark die Rede, von Wien als Regenbogenhauptstadt und so weiter. Die Kultur wird mit keinem Wort erwähnt. Das passt ins Bild: Vor ein paar Tagen referierte Klubchef David Ellensohn vor den Seinen das mit der SPÖ ausverhandelte Koalitionsabkommen. Danach stellte Wolfgang Zinggl, der Kultursprecher der Bundesgrünen, die spitze Frage: „Und Kultur gibt’s nicht?“ Ellensohn hatte sie einfach unter den Tisch fallen lassen.

Da sich bei den Grünen derzeit niemand für diesen Bereich interessiert, gestaltete sich die Suche nach einem Kultursprecher recht schwierig. Budgetsprecher Martin Margulies hat nun auch die Kulturagenden über. Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny (SPÖ) dürfte mit der Entscheidung zufrieden sein. Denn innerkoalitionäre Probleme, die es vor der Wahl mit Klaus Werner-Lobo gab, sind nicht zu erwarten, sagen die einen. Die anderen glauben, dass Margulies äußerst widerständig sein werde.

Werner-Lobo, der bisherige Kultursprecher, will sich zu den Entwicklungen bei den Grünen nicht äußern. Er ist schließlich aus der Partei ausgetreten. Und nun verarbeitet er seine Erfahrungen: Mitte März erscheint bei Deuticke sein Buch „Nach der Empörung. Was tun, wenn Wählen nicht mehr reicht“. Danach will er sich der subversiven Funktion von Clowns widmen. Der Arbeitstitel lautet „Narrenfrei“. Ob er auch für Werner-Lobo selbst gilt?

Das im Bereich Kultur enttäuschende Abkommen erbost Gerhard Ruiss, den Sprecher der IG Autorinnen und Autoren. Denn in diesem kommen kein einziges Mal die Wörter „Literatur“, „Buch“ oder „Lesen“ vor. Wien wird lediglich als Filmstadt und Musikstadt dargestellt, als Stadt der bildenden Kunst, der Erinnerungs- und Baukultur. Resümee Ruiss: „Wien ist demnach keine Buchstadt, keine Stadt der Literatur und keine Stadt der Lesekultur. Weder jetzt noch in den kommenden fünf Jahren. Das ist erschütternd und kann so nicht von uns hingenommen werden.“

Im Parlament wurde am Mittwoch das Budget seziert. Zu Wort meldete sich auch der bereits erwähnte Wolfgang Zinggl. Er tat es Jörg Haider selig gleich: Er packte zwei Taferln aus, um den Niedergang der Kulturnation zu demonstrieren. Vor 20 Jahren wurden 1,5 Prozent des Gesamtbudgets für Kunst und Kultur verwendet, heuer seien es nur mehr 0,5 Prozent. Zudem seien die Ausgaben für die Bundesinstitutionen seit 2006 erklecklich gestiegen, was zur Folge hätte, dass die Subventionen für alle anderen Kultureinrichtungen weniger wurden. Kulturminister Josef Ostermayer zeigte sich unbeeindruckt.