Kultur

Die besten Filme, Alben, Ausstellungen und Autoren

Die KURIER-Spezialisten für Film (Veronika Franz und Alexandra Seibel), Pop (Brigitte Schokarth), Kunst (Michael Huber) und Literatur (Peter Pisa) haben gewählt: Das waren die wichtigsten Filme, die packendsten Alben, die sehenswertesten Ausstellungen, die spannendsten Autoren des Jahres 2012. Die Sieger führen auf die Rückbank einer Limousine, an die dunkelsten Trauerorte österreichischen Pops, in die prunkvollen Räume der Wiener Albertina und, bei der Literatur, letztlich in die ganze Welt.

Auch hier gilt, wie im ersten, bereits erschienenen Bestenlistenteil, dem Theater, und im morgigen Finale, der klassischen Musik: Die Wahl war überaus schwer, es galt, sich zwischen einer Vielzahl von potenziellen Kandidaten zu entscheiden. 2012 war alles in allem ein überaus spannendes Kulturjahr, mit vielen Höhepunkten in und außerhalb Österreichs und dementsprechend vielen Kandidaten für die alljährliche Bestenliste.

Und wie immer lauert manche Überraschung auch darin, welche Werke, Künstler, Institutionen in unserer Auswahl nicht vorkommen.

Der Kultur-Jahresrückblick in Bildern

Platz 1: David Cronenberg: "Cosmopolis"

Der kühnste Film des Jahres: David Cronenberg setzt sich mit Robert Pattinson als bleichem Vampir des Kapitalismus auf die Hinterbank einer Limousine und steigt lange nicht aus. Draußen tobt die Weltwirtschaftskrise. Rares radikales Kino. Zur Kritik.

Platz 2: Bertrand Bonello: "Haus der Sünde"

Man badet in Blut und Sekt: ein Sittengemälde, das Bertrand Bonello so wunderbar wie virtuos skizziert. Ein Pariser Nobelbordell um die Jahrhundertwende als Ort der Verführung, an dem sich Mächtige mit Ohnmächtigen vergnügen; an dem parfümierte Lügen auf blutige Wahrheiten treffen. Der Film folgt keiner klassischen Dramaturgie, es ist ein komponiertes Mosaik und eine Parabel auf das Kino zugleich. Zum Interview mit dem Regisseur

Platz 3: Miguel Gombes: "Tabu"

Ein echtes Kino-Kunststück des Jahres: Einer Geschichte des Alterns in der Gegenwart von Lissabon folgt die zugehörige Geschichte der Jugend im kolonialen Afrika. Am Ende steht ein Liebesdrama, eine Dreiecksgeschichte in schwarz-weißen Bildern, betörend schön. Miguel Gomes’ preisgekrönter Film ist großer Popsong und kleine Sinfonie, Melodram und Abenteuerfilm und pure Poesie. Zur Kritik inklusive Trailer und Interview mit dem Regisseur.

Platz 1: Soap & Skin „Narrow“

Mit der zweiten CD hat die Steirerin Anja Plaschg den Tod ihres Vaters verarbeitet, macht die Verzweiflung, Lähmung und Not, die sie danach empfand, körperlich spürbar. So, dass es fast weh tut. Und fasziniert wie sonst nichts in diesem Jahr. Zur Kritik

Platz 2: The xx „Coexist“

Noch ein zweites Album, noch ein intensives. Das britische Trio The xx bleibt damit auf den Spuren der Sounds des drei Millionen Mal verkauften Debüts von 2009. Die minimalistische Gitarre von Sängerin Romy Madley Croft verschmilzt mit dem zarten Bass von Oliver Sim und raffiniert gesetzten Sound-Akzenten und Percussion-Beats von Produzent Jamie Smith. So muss Pop anno 2012 klingen.

Platz 3: Alex Clare „Lateness Of The Hour“

Mit „Too Close“ rangierte der Newcomer aus England wochenlang in den Austria-Top-40. Doch auch der Rest seines Debütalbums „The Lateness Of The Hour“ ist hörenswert. Denn der Ex-Freund von Amy Winehouse hat mit einer Symbiose aus Dubstep-Verfremdungen, Gitarren, Klavier und souligem Gesang einen innovativen Sound kreiert, der aber niemals Song und Melodie übertrumpft.

Platz 1: Maximilian I. und die Dürerzeit

Albertina: Das Musterbeispiel einer musealen Zeitreise: 500 Jahre alte Werke, allen voran der „Triumphzug“, wurden hervorragend restauriert und präsentiert und machen Geschichte auf einzigartige Weise lebendig. Noch bis 6.1.2013.

Bilder der Ausstellung:

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Platz 2: Claes Oldenburg: The Sixties

mumok.Das Frühwerk des US-Künstlers, von den Kuratoren des Wiener Museums hervorragend aufbereitet, bot einen neuen Blick auf die scheinbar so glatte Pop-Art: Bei Oldenburg wurde mit den Symbolen des Konsums gekleistert und gematscht, das Populäre wurde dreckig – und anziehend. Dass die Schau vom New Yorker MoMA übernommen wurde, unterstreicht die Qualität der geleisteten Arbeit.

Platz 3: Lassnig: Der Ort der Bilder

Neue Galerie Graz: Eine so ausführliche und aufschlussreiche Würdigung des Werks von Maria Lassnig suchte man in Wiens Kunsttempeln bis zuletzt vergebens: In der Zusammenschau von teils unbekannten Werken seit den 1940er-Jahren wird die unglaubliche Beharrlichkeit deutlich, mit der die Malerin und Kurzfilm-Macherin bildnerische Ideen fand, verfeinerte und ausformulierte. Noch bis 28.4.2013.

Bilder der Ausstellung:

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Platz 1: Christoph Ransmayr

Erscheint ein Buch des Welsers, ist es immer ein Ereignis. Heuer legte er den „Atlas eines ängstlichen Mannes“ vor, aus dem sich die Welt mitsamt dem ganzen Leben erhebt. Ransmayr geht und denkt, auf den Osterinseln, in China, am Himalaja ...

Platz 2: Robert Seethaler

Bitte nicht stören. Der in Berlin lebende Wiener Robert Seethaler, ein bescheidener, großer Erzähler vom Jahrgang 1966, hat heuer eine Gefühlsgeschichte vorgelegt, die den Bauch wärmt und im Kopf klopft. „Der Trafikant“ heißt sie und spielt in Wien 1938. Der Franzl kommt vom Land und lernt Sigmund Freud kennen. Der 17-Jährige und der 81-Jährige reden über die Liebe. Das verdient ganz viele Leser.

Platz 3: Clemens J. Setz

Zwar gab es heuer – ausnahmsweise – keinen großen Literaturpreis für den 30-jährigen Grazer. Doch stellte er mit dem Roman „Indigo“ ein Rätsel, das man nicht vollständig lösen muss, ja gar nicht lösen soll, weil das Rätsel selbst das Beste ist. Kinder machen krank, Männer gehen nur schnell Zigaretten holen und gelangen in eine unterirdische Welt, Tiere werden gefoltert ... Setz war noch nie so wild und so gut.

Ein bemerkenswertes Theaterjahr geht zu Ende. An den großen Wiener Bühnen, aber auch in den Bundesländern und in der Off-Szene gab es bis zuletzt spektakuläre, kluge Inszenierungen in großer Zahl. In einer Branche, in der das Geld – wie überall – immer weniger wird, ist nach wie vor ein großes Potenzial an Kreativität vorhanden, und auch die Besucherzahlen sind allerorts erfreulich.

Der KURIER wählte – auch heuer wieder streng subjektiv – die besten Schauspieler und Schauspielerinnen, die besten Regisseure und Regisseurinnen, die besten Theater und die besten Off-Bühnen. Was für die eingangs aufgestellte These spricht: Die Wahl fiel so schwer wie schon lange nicht. Denn es gäbe auch andere Theatermacher, die spannende Arbeiten ablieferten. So blieb die Suche nach Außergewöhnlichem. Sei’s eine Bühnen-Newcomerin, die die Kolleginnen glatt an die Wand spielte, oder ein Theater, das sich traute, drei Monate lang nur ein Stück zu bringen. Unsere Hoffnung: Dass Ende 2013 die Wahl wieder so schwer fällt.

Platz 1: Christiane von Poelnitz

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"Handwerk und harte Arbeit“, so definiert die Burgschauspielrin ihren Beruf. Wer sie auf der Bühne sieht, weiß, dass sie sich nichts schenkt. Wie zuletzt als „Elektra“, unterstützt von den kongenialen Catrin Striebeck und Adina Vetter.

Platz 2: Johannes Krisch

Er ist in Nebenrollen verlässliche Stütze jeder Burg-Produktion. Er schmückt jede Film-Besetzungsliste. Und auch in niveauvollen Fernseh-Produktionen macht er sich prächtig. Wie außergewöhnlich gut dieser Schauspieler aber sein kann, das zeigte er zuletzt in „Der Alpenkönig und der Menschenfeind“ am Burgtheater. Als Alpenkönig ist er ein packender, unheimlicher, wilder Erdgeist, in den Verwechslungsszenen sehr komisch, obendrein singt er auch noch fantastisch. Mehr davon!

Platz 3: Jessica Schwarz

Man kennt sie aus Film und Fernsehen, als Tony Buddenbrook oder als Romy Schneider. Diesen Dezember gab Jessica Schwarz ihr Bühnendebüt. Am Landestheater Niederösterreich spielte sie in der Krimikomödie „Acht Frauen“ das sexy Kammerkätzchen Louise – auf Augenhöhe mit ihren langgedienten Theaterkolleginnen. Denen streute Schwarz im KURIER-Interview Rosen: „Ich gestehe, ich hatte Angst, live vor Publikum aufzutreten, aber ich werde von allen toll unterstützt.“

Platz 1: Stefan Bachmann

Dass Theater eine Extremsportart ist, bewies der Schweizer mit seiner Inszenierung von Elfriede Jelineks „Winterreise“ am Akademietheater. Auf 45 steiler Bühne rodelten die Schauspieler durch die Textmassen. Bravo fürs Bravourstück!

Platz 2: Alexandra Liedtke

Die aus Dortmund stammende Regisseurin hatte in Wien keinen leichten Einstand – immer wieder wurde ihr unterstellt, sie profitiere beruflich von ihrer Ehe mit Burgchef Matthias Hartmann. Vergessen wurde dabei, dass Liedtke seit Jahren an bedeutenden Bühnen in Deutschland erfolgreich arbeitet. Spätestens mit ihren Josefstadt-Inszenierungen von „Blackbird“ und „Hedda Gabler“ ist auch in Wien klar: Hier arbeitet eine hervorragende, sehr uneitel und klar inszenierende Regisseurin.

Platz 3: Michael Thalheimer

Der aus Frankfurt stammende, vor allem in Berlin tätige Regisseur debütierte 2011 mit Brechts „Die heilige Johanna der Schlachthöfe“ an der Burg – und fiel sofort mit seinem kraftvollen Stil auf. Seine Inszenierung von Hugo von Hofmannsthals „Elektra“ am Burgtheater ist eines der Top-Ereignisse dieser Saison: Zur Gänze in einer schmalen Spalte im Bühnenbild (Olaf Altmann) spielend, artifiziell, radikal gekürzt, gnadenlos intensiv – wunderbar unterstützt von der Musik von Soap & Skin.

Platz 1: Burgtheater

Ja, es ist unfair – welches Theater verfügt über vergleichbare Ressourcen? Aber die Wahrheit ist: Matthias Hartmanns Burgtheater bliebt konkurrenzlos. Neue Glanzleistungen: „Alpenkönig“, „Kassandra“, „Onkel Wanja“...

Platz 2: Schauspielhaus Graz

Seit Jahren macht Intendantin Anna Badora spannendes Theater, holt Stars ans Haus und baut ein gutes Ensemble auf. Theater sei gerade in der Krise unverzichtbar und für sie eine Sache des Herzens, so Badora. Deshalb bringt sie das Publikum zum Nachdenken („Hakoah Wien“) und Lachen („Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs“).

Platz 3: Schauspielhaus Wien

Na, der traut sich was. Schauspielhaus-Chef Andreas Beck zeigt von Saisonbeginn bis Jahresende ein Stück. Das dafür in vier Teilen: „Der seidene Schuh“ von Paul Claudel, eine Herzschmerz-Abenteuerstory zur Zeit des spanischen Königs Philipp II. Ein Spektakel mit 70 Rollen. Das Ergebnis: hinreißend. Das Ensemble: wie immer top.

Platz 1: TAG

Das Theater in der Gumpendorfer Straße ist die interessanteste Off-Bühne Wiens: Schräge, kluge, spannende, immer nahe am Publikum gebaute Produktionen (allen voran Gernot Plass’ Klassiker-Überschreibungen), und das fast ohne Geld.

Platz 2: Theater Nestroyhof Hamakom

Der Jugendstilsaal im zweiten Wiener Bezirk, 1938 von den Nazis geschlossen, dann ein Supermarktlager, ist ein Kleinod. Hausherr Frederic Lion setzt auf ambitionierte Produktionen, die mit der Geschichte des Orts zu tun haben. Etwa „Ich und Ich“ von Else Lasker-Schüler“ oder „Wir sind die neuen Juden“ mit Hubsi Kramar.

Platz 3: Theater zum Fürchten

Der Name ist nicht Programm. Denn Bruno Max macht sowohl im Stadttheater Mödling als auch in der Scala auf der Wieden (und im Sommer im Mödlinger Luftschutzbunker) Theater, das Freude macht. Nicht zu konventionell, nicht zu experimentell. In der Mitte liegt Max’ Glück. Derzeit mit der Satire „Der Selbstmörder“.

Info: Den zweiten Teil der Bestenliste lesen Sie an dieser Stelle am Freitag.