Kultur

Der große Händel-Wurf blieb diesmal leider aus

Aquarien sollen ja bekanntlich eine besonders beruhigende Wirkung haben. Man setzt sich etwa vor ein Goldfischglas, sieht den Fischchen beim Schwimmen zu und flugs befindet man sich im geistigen Leerlauf. Wenn es dem Theater an der Wien bei Georg Friedrich Händels „Radamisto“ also darum gegangen ist, das Publikum in einen möglichst angenehmen Schlummerzustand zu versetzen, dann ist die Rechnung voll aufgegangen.

Denn die Neuproduktion des 1720 in London uraufgeführten Werks entfaltet in szenischer und teils auch in musikalischer Hinsicht die Wirkung eines ziemlich starken Sedativums. Das liegt auch an der Regie von Vincent Boussard, der sich zu diesem Werk um Liebe, Begehren, Standhaftigkeit und Krieg zwar viele Gedanken gemacht hat, die man im grauen Drei-Türen-Einheitsbühnenbild von Vincent Lemaire jedoch alle kaum sieht.

Traumdeutung

Mit den Mitteln der Traumdeutung wollte Boussard die Geschichte rund um den Tyrannen Tiridate, der die Frau seines Schwagers Radamisto begehrt und dafür (bis zum obligaten Happy-End) allerlei Böses unternimmt, ins Heute transferieren. Doch bis auf (fast) permanente Projektionen von schwimmenden Goldfischen, ist davon nichts zu bemerken. Daran ändern auch die (mäßig inspiriert wirkenden) Kostüme von Christian Lacroix nichts. Öder Stehgesang (Wo war nur die Personenführung?) an der Rampe ist angesagt.

Und musikalisch? Dirigent René Jacobs hat sich (weitgehend) für die zweite der drei Stückfassungen entschieden, will am Pult des gewohnt guten Freiburger Barockorchesters jede einzelne Note offenlegen, steht damit aber auch öfters auf der musikalischen Bremse. Dennoch: Das Orchester überzeugt.

Bei den Sängern gibt es einen überragenden Interpreten: Florian Boesch holt sich als Tyrann vokal wie darstellerisch alles – der Bariton zeigt, was möglich gewesen wäre. Countertenor David Daniels meistert die Partie des Radamisto mit Anstand, aber ohne echten stimmlichen Glanz; Sopranistin Sophie Karthäuser agiert als Tyrannen-Gattin solide.

Patricia Bardon (Mezzo) lässt als Objekt der Begierde immerhin aufhorchen; Jeremy Ovenden (Tenor) und Fulvio Bettini gestalten die kleineren Partien sicher. Der große Händel-Wurf blieb diesmal aber leider aus.

KURIER-Wertung: *** von *****

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