Der Beweis der Männlichkeit
Von Peter Pisa
Das war zu einer Zeit, als Schimpfworte noch recht nett klangen, zumindest in Finnland:
Beispielsweise nannte die Dorfjugend einen Burschen aus dem Nachbarort "Klotürschnalle", und schon kündigte dessen Gruppe Rache an, eine Nachricht wurde überbracht: In drei Tagen trifft man einander bei einem Baum oder auf einer Straße, und dann schauen wir einmal, ob die "Klotürschnallen" mehr Muskeln haben als die ... "Hendln".
Der aus Helsinki stammende Ethnologe Maximilian Stejskal (übrigens war sein Vater ein Wirtschaftsflüchtling aus Teplitz-Schönau) hat diese Volkswettspiele – Folklig idrott – der jungen Landbevölkerung ums Jahr 1900 dokumentiert.
Das heißt: Er radelte erst ab 1929 durch Süd- und Ostfinnland, jedes Jahr vier bis acht Wochen lang, und ließ sich von den schon etwas älter gewordenen Buben – Bauern mittlerweile, Knechte, Handwerker – vorführen, wie sie früher ihre Kräfte unter Beweis gestellt hatten. Damals wurden die Übungen kaum noch praktiziert. Als Erinnerung wurde fürs Foto mit ausgestreckter Hand ein Sessel gehalten (= Lyfta stol). Oder Kutschenräder wurden fürs Foto gestemmt (= Rita kärrhjul). Oder ... besser, man sieht sich die Bilder an.
Stejskal, am Beginn seines Projekts 23 Jahre alt, betrieb als einer der Letzten in Finnland Feldforschung.
Zwei faltbare Balgenkameras hatte er mit und ein Tonbandgerät, um Musik aufzunehmen. 433 Fotos entstanden samt genauer Informationen über die Regeln der Wettkämpfe. Eine Auswahl hat die Schweizer Edition Patrick Frey nun erstmals veröffentlicht.
Was Männer vor rund 100 Jahren so alles getrieben haben, um ihre Männlichkeit zu demonstrieren, ist ein bissl Sport, ein bissl Idiotie, und Kunst ist es jetzt auch.
Maximilian Stejskal hielt fest: Zwölfjährige duellierten sich noch spielerisch im Fingerhakeln und Armdrücken, ältere Burschen versuchten, 250 Kilo schwere Steine zu heben. Wer’s bis zur Kniehöhe schaffte, galt als heiratsfähig. Weicheier durften aber schon auch ...
Marie-Isabel Vogel, Alain Rappaport (Herausgeber):
„Maximilian Stejskal –
Folklig idrott“
Edition
Patrick Frey.
112 Seiten.
98 Abbildungen.
52 Euro.