Kultur

Als würde die Zeit stehen bleiben

Der berühmteste Kölner ist ein aus Niederösterreich Zuagraster: Bernhard Paul. Zirkusdirektor. Sein Ruhm grenzt bei unseren Nachbarn an Heiligenverehrung.

Wenn angekündigt wird, dass Paul selber als Clown "Zippo" auftreten wird, sind schlagartig mindestens 100.000 Tickets mehr als sonst verkauft.

Nostalgisch

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Derzeit pausiert "Zippo" wegen seiner im Moment lädierten Rückenwirbel. Nicht aber der Circus Roncalli. "Time Is Honey" hatte Freitag Premiere in der nostalgischen Zeltstadt mit originalgetreu restaurierten Zirkuswagen am Kölner Neumarkt und ist ein Plädoyer für die Entschleunigung.

Und wie jedes Programm in fast 40 Jahren Circus Roncalli "ist es ein wohlüberlegtes Spiel mit Emotionen", sagt Bernhard Paul, der ein Ziel hat: Er möchte, dass der Zirkus Weltkulturerbe wird.

Und gibt’s denn überhaupt noch genug Akrobaten und Clowns zu entdecken?

"Man muss viele Frösche küssen, ehe man eine Prinzessin findet", sagt der unermüdliche Talente-Scout.

"Time Is Honey" beginnt mit Zeit und Zufall, einem Zauber aus Licht und Schatten des Katalanen Sergi Buka.

Eine Schrecksekunde bringt bei der Premiere kurz vor der Pause der offensichtlich schmerzhafte Sturz eines Artisten der "Rokashkovs" durch eine eingeknickte Stütze am Reck. Er humpelt, gestützt von seinen Kollegen, aus der Manege.

Aber im Nu in die Herzen zaubert sich ein Großaufgebot an Clowns vom tollpatschig-schelmischen Oriol bis zum russischen Komiker-Duo Eddy & Anatoli. Da weht mit musikalischen Einsprengseln ein Hauch von Fellini durch die Manege.

Fotos der aktuellen Show

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Charmant-akrobatisch

Jonglagen mit Reifen und Fußbällen, die Performance der Luftzwillinge, ein entzückendes Pferdeballett, eine Liebesgeschichte auf und an meterlangen von der Decke hängenden Tüchern, das "Trio Laruss" mit ihren goldfarben bepinselten Körperskulpturen, tanzende Zigarrenkisten, die Dressur eines einsamen Schmetterlings sind allesamt Attraktionen, die staunen machen und heiter-helles Kinderlachen provozieren.

Dazu kommt eine Premiere in der Premiere: Bernhard Pauls Kinder Vivi, Adrian und Lili haben mit Hemile Martinez eine rasante Rollschuhnummer kreiert. Auf engem Raum, in atemberaubender Geschwindigkeit kreiseln sie auf einem runden Podest oder fliegen durch die Luft.

Atemberaubend und ein Höhepunkt der dramaturgisch fein ausbalancierten Show ist schließlich das "Entschleunigungs-Mikado", bei dem der Amerikaner Andreis Jacobs Rigolo 13 Palmäste auf einer Feder so zu einer schwebend leichten Skulptur arrangiert. Als wäre das Gesetz der Schwerkraft aufgehoben. Als wäre eine neue Dimension des Gleichgewichts erreicht. Als würde die Zeit stillstehen.

Und wenn der Donauwalzer verklungen, das Finale mit Karnevalsstimmung und Konfetti vorbei ist, dann hat noch einmal die Poesie ihren Auftritt: Als die Clowns im Nachthemd dastehen, um die Zuschauer nach Hause zu schicken.

Garantiert gut gelaunt.

Info: 25. 6.–13. 7. Salzburg; 19. 7.–3. 8. Innsbruck; 11. 9.– 5. 10. Wien, Rathausplatz; 24. 10.–16. 11. Graz; 21. 11.– 13. 12. Linz; Karten 16–65 €; 01/ 3 555 666 und 01/58885 01/960 96 www.roncalli.at

Fliegende und biegsame Körper, Menschenpyramiden und ein Einrad-Duo: Wilde und bunte Nummern, die einen Sog wie nach der Dramaturgie eines Actionfilm erzeugen. Mit "Kooza" kehrt der kanadische Cirque du Soleil zu seinen Ursprüngen zurück.

"Wir wollen wieder mehr traditionellen Zirkus machen, also mehr akrobatische Performance und mehr Clownerien", sagt der Artistic Director Michael Smith. Wien-Premiere ist am 8. Mai.

"Kooza" erzählt "von menschlichen Beziehungen in einer Welt des Dualismus von Gut und Böse", erklärt David Shiner, Autor und Regisseur. Es ist die Geschichte eines melancholischen Einzelgängers, der nach seinem Platz in der Welt sucht.

Shiner: "Die Stimmung ist spaßig und witzig, leicht und offen. Die Show nimmt sich selbst nicht allzu ernst, aber transportiert dennoch verschiedene Botschaften. Wir erkunden Themen wie Angst, Identität, Anerkennung und Macht."

Hochspannung

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In "Kooza" folgen hochtechnische Nummern in schnellem Rhythmus aufeinander. Die Musik treibt das Konglomerat aus Aladins Wunderlampe, Faust und Zauberer von Oz voran. Sie wurde eigens für das Programm komponiert: Eine Melange aus Pop mit Versatzstücken aus der arabischen und afrikanischen Musik, Pop-Rock und indischen Klängen, aus Hard Bop Jazz, Soul und osteuropäischer Chormusik.

Der Name des Spektakels geht auf das Sanskrit-Wort "Koza" zurück, was so viel wie "Kiste", "Box" oder "Schatz" bedeutet.

Für Michael Smith hat der Begriff auch noch eine andere Bedeutung: hochgefährlich. "It is a high tension show". Eine Hochspannungsschau – mit Fahrrad-Artisten beim doppelten Hochseilakt in zehn Metern Höhe und halsbrecherischer Akrobatik auf dem schnell rotierenden Todesrad.

Info: "Kooza", 8. Mai bis 15. Juni in Neu Marx, Karten 01/96096 www.cirquedusoleil.com