Calvin und Hobbes: Das Doppelleben des Stofftigers
Von Barbara Beer
Selten hat ein Zitat am Anfang eines Buches so gut gepasst: „Es gibt eine andere Welt, aber sie ist in dieser.“ (Paul Éluard).
Nevin Martell erfasst damit die Quintessenz des Universums von Bill Watterson, dem Schöpfer von „Calvin und Hobbes.“
Der Schöpfer dieses bezauberndes Paares, William B. Watterson, wurde 1958 in Washington geboren, studierte Politikwissenschaften, veröffentlichte schon in der Highschool Comics. Nach dem Studium arbeitete er als Cartoonist bei einer Tageszeitung. 1985, nach etlichen Misserfolgen, kam der Durchbruch mit dem Tiger und dem Knaben mit der blonden Stachelfrisur, die einander versicherten: „Das sicherste Anzeichen dafür, dass anderswo im Universum intelligentes Leben existiert, ist, dass noch niemand versucht hat, mit uns Kontakt aufzunehmen.“
Wattersons Biograf, der Journalist Nevin Martell, musste feststellen: So groß der Erfolg von Calvin und seinem gestreiften Tiger war – Watterson selbst blieb ein geheimnisvoller Mann, der in seinen raren Interviews ausschließlich über seine Arbeit, aber nie über sein Leben sprach. Ein „J.D. Salinger des amerikanischen Comics“.
Martell gelang es für seine Biografie nicht, Watterson zum Sprechen zu bringen. Obwohl er anbot, das Interview notfalls per Brieftaube zu führen. Der introvertierte Künstler blieb bei seiner Meinung, dass es ausschließlich auf die Kunst ankomme und niemanden die Geschichte des Künstlers dahinter interessiere.
Als Kind zeichnete Watterson Snoopy nach. „In der Vorstellung, eines Tages der nächste Charles M. Schulz zu werden“, wie er später dem Wallstreet Journal mitteilte.
Die unterschwellige Melancholie des Kindes, das außer dem imaginären keine Freunde hat, ist nicht die einzige Gemeinsamkeit mit seinem Idol Schulz und dessen depressivem Protagonisten Charlie Brown. Calvin dazu: „Weißt du, Hobbes, an manchen Tagen helfen nicht mal meine Glücksraumschiffunterhosen.“
Calvin und Hobbes sind zum Teil von Wattersons Familie inspiriert. Seiner Frau, seinem Vater und seiner verhaltensauffälligen Katze. Das erfuhr Martell, obwohl Watterson ihm kein Interview gab.
Möglicherweise möchte Watterson ebendiese Faszination auch für sich selbst beanspruchen.
INFO: Nevin Martell: Auf der Suche nach Calvin und Hobbes. Aus dem Englischen von Sven-Eric Wehmeyer. Carlsen Comics. 303 Seiten. 25,60 Euro.