Kultur

Burgtheater: Zerpfiffenes Spiel mit starkem Finish

Der dritte Akt dieser Inszenierung, der ist wahrscheinlich das Beste, das derzeit in einem österreichischen Theater zu sehen ist. Er rechtfertigt den hochfrequenten Jubel, der am Ende über die Darsteller und Regisseurin Andrea Breth hereinbricht.

Apropos hochfrequent: Der erste Akt wird leider, man muss es so hart ausdrücken, von einem hochfrequenten Pfeifen vernichtet, welches auf- und abschwellend eine Stunde lang den Zuschauerraum füllte. Das Geräusch war so quälend, dass es fast unmöglich wurde, dem Geschehen zu folgen, weil es den Kopf mit unablässig rotierenden Fragen füllte: Was ist das? Warum tut niemand etwas dagegen? Wen muss ich erdrosseln, damit das aufhört?

Hörgerät?

Laut Auskunft des Burgtheaters ist dieses Pfeifen auch den Technikern des Hauses ein Rätsel, man vermutet eine Rückkoppelung mit einem zu laut eingestellten Hörgerät (!) oder einen Fehler in der Belüftungsanlage. Da das Geräusch exakt mit Beginn des zweiten Aktes endete, glaubten manche Zuschauer tatsächlich, das Pfeifen wäre ein Teil der Inszenierung.

Der zweite Akt verlief dann (vom schon gewohnten gelegentlichen Handy-Fiepen im Saal) ruhestörungs-, aber auch ein wenig spannungsfrei – hier hätte man ruhig kürzen dürfen.

Aber der Reihe nach.

Der Dramatiker und Drehbuchautor John Hopkins schrieb "This story of yours" 1968, 1973 wurde der Stoff unter dem Titel "The Offence" mit Sean Connery verfilmt. Der Film, Teil eines größeren Deals mit der James-Bond-Filmfirma United Artists, wurde ein Flop.

Im Mittelpunkt der Handlung steht ein scheinbar unerklärlicher Ausbruch von Gewalt: Der bisher unauffällige Polizeibeamte Johnson prügelt einen des Kindesmissbrauchs Verdächtigen zu Tode. Hopkins’ – in ihrer Schlichtheit auch kritisierbare – These: Gewalt ist immer eine Folge von nicht verarbeiteten Demütigungen sowie von Sprachlosigkeit.

Das Stück gliedert sich in drei gleich lange Zwei-Personen-Szenen. Im ersten Teil kommt Johnson nach Hause und teilt seiner Frau in kühlen Worten mit, was passiert ist. Sie unternimmt einen verzweifelten Versuch, zu ihrem Mann durchzudringen – er bringt es aber nicht fertig, ihr zu vermitteln, was ihn quält: Die Bilder von Verbrechensopfern, die er gesehen hat, die Hilflosigkeit seines Kampfes gegen Verbrecher.

Im zweiten Akt wird Johnson durch einen Vorgesetzten vernommen und versucht dabei, seine Tat als Unfall darzustellen. Bemerkenswerterweise dreht sich das ein wenig längliche Gespräch der beiden um die Frage, ob Johnson vielleicht einen Unschuldigen getötet hat – und nicht darum, dass man überhaupt niemanden im Verhör umbringen darf, egal, ob schuldig oder nicht.

Tanz der Gewalt

Der dritte Akt schließlich zeigt das Verhör und den Tod des Verdächtigen. Hier laufen der bis dahin mit der Rolle ringende Nicholas Ofczarek als Johnson und August Diehl als mutmaßlicher Kindesvergewaltiger Baxter zur Höchstform auf. Regisseurin Andrea Breth inszeniert die Begegnung dieser Männer als fast zärtlichen Tanz der Gewalt.

Johnson und Baxter sind einander verbunden durch Ängste, Demütigungen, unterdrückte Sexualität, sie begeben sich in ein hoch komplexes Spiel, in dem die Täter-Opfer-Rollen mehrfach wechseln. Diese Szenen erinnern ein wenig an Quentin Tarantino (und August Diehl schafft es tatsächlich, mit der Geste für die Zahl 2 eine Anspielung auf "Inglourious Basterds" unterzubringen).

Fazit: Ein dreieinhalb Stunden langer, schwieriger, aber ungemein spannender Abend. Roland Koch und Andrea Clausen sind als Vorgesetzter bzw. Ehefrau stark, haben aber die weniger dankbaren Szenen.