Christine Vescoli: Mutter schrieb Gedichte gegen die Kälte und weinte nie
Von Barbara Beer
Mutterbücher: Oft sind sie anklagend, romantisierend oder indiskret. Nicht dieses. Christine Vescolis „Mutternichts“ ist eine taktvolle, poetische Annäherung an eine Mutter, die der Tochter einen Phantomschmerz hinterlassen hat. Ein „Mutternichts“, das in der Tochter arbeitet. Konkret weiß die Erzählerin kaum etwas von ihrer Mutter. Eine harte Kindheit auf einem fremden Hof in Südtirol hat sie gehabt, Gedichte gegen die Kälte geschrieben, ihr Lebtag den Winter gehasst. Sich ein Spiegelei gebraten, wenn sie allein war. Sie war gern allein. Ging aufrecht wie eine Kerze und weinte nie. Dass das alles sein soll, akzeptiert die Tochter nicht. Sie will das Mutterrätsel lösen. Das beeindruckende Romandebüt der Südtiroler Literaturwissenschafterin Christine Vescoli ist sprachlich aufregend und unkonventionell.