Kultur

Brad Pitt als entspannter Auftragskiller

Verprügeln sei unerfreulich, sagt der Killer freundlich. Das sollte man sich selbst und anderen ersparen. Sanft zu töten, das sei sein Ding.

Es dauert ungefähr zwanzig Minuten, bevor Brad Pitt als zärtlicher Auftragsmörder Jackie Cogan seinen herrlich lässigen, ersten Auftritt hat. Auf weichen Samtpfoten schleicht er herbei, spricht meist nur im Flüsterton und haut seinem Opfer kameradschaftlich auf die Schulter, ehe er ihm das Gehirn aus der Schale schießt.

Trotzdem ist Brad Pitts cooler Killer Cogan seltsamerweise fast so etwas wie eine Lichtgestalt im dreckigen Wasteland von New Orleans. Dort hängt der Himmel bleiern über gelblichen Müllhalden und trostlosen Parkplätzen. Man riecht förmlich den Filz von zwei verlotterten Junkies, die gerade ihr krummes Ding planen.

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Nostalgie-Look

Andrew Dominik, seit der Zusammenarbeit mit Pitt bei seinem letzten Film „Die Ermordung des Jesse James durch den Feigling Robert Ford“ dessen enger Kollaborateur, hat einen eisernen Stilwillen. Seine nachtschwarzen Bilder von räudigen Schauplätzen verstrahlen einen stimmungsstarken, dabei fast apokalyptischen Nostalgie-Look, der an die 70er-Jahre erinnert, aber deutlich in der Gegenwart verankert bleibt. Die Vorlage zu Dominiks fast frauenlosem Gangster-Blues lieferte dabei der Pulp-Klassiker „Cogan’s Trade“ vom Krimi-Veteranen George V. Higgins. Dass wir uns aber im Jahr 2008 befinden, bleibt unüberhörbar. Aus jedem Autoradio und Fernseher plärren Barack Obamas Wahlkampf-Reden, seine Aufrufe zu „Change“ und den Möglichkeiten des amerikanischen Traums. In den schmierigen Hinterzimmern dubioser Mafiosi nimmt sich diese euphorische Botschaft überdeutlich leer und lachhaft aus. „Amerika ist kein Land“, sagt der Killer einmal. „Es ist ein verdammtes Business.“

Finanzkrise

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Andrew ist dabei in seiner Kapitalismus-Kritik etwas zu offensichtlich bemüht, eine Art Parallelwelt zwischen der offiziellen Obama-Aufbruchswelle und den Niederungen schäbiger Geldgeschäfte zu schaffen. Denn passend zur Finanzkrise geht auch das Geschäft in den Mafia-Zirkeln gerade nicht so gut. Nachdem die beiden leicht vertrottelten Junkies mit gelben Gummihandschuhen eine Poker-Runde überfallen haben, muss wieder Ordnung in den Geldfluss gebracht werden. Cogan wird engagiert, um ein paar Leute zu exekutieren – etwa den wunderbaren Ray Liotta – und die Sache zu bereinigen.

Von den allzu offensichtlichen Verweisen auf ein Land in der Krise sollte man sich den Genuss von Andrews delirierendem Mafia-Trip zu Anklängen von Velvet-Underground-Musik dennoch nicht schmälern lassen. James Gandolfini, bestens bekannt als Tony Soprano, liefert einige denkwürdige Auftritte als kurzatmiger, sex- und alkoholsüchtiger Mafioso. Sein einziges Gesprächsthema ist die Qualität der Nutten, die er rund um die Uhr engagiert. Für seinen asketischen Kollegen Cogan, der nichts anderes als „gute“ Killerarbeit leisten will, ein echtes Ärgernis. Auch die verquatschten Kleinganoven, die alle ihren Mund nicht mehr zukriegen, außer, man erschießt sie, palavern sich ein wenig Tarantino-esk durch endlose Dialogszenen. Doch Gewalt verharmlost wird nicht, nur stilisiert. Andrew konterkariert seinen Hang zur Komik gekonnt mit ultrabrutalen, in Zeitlupe qualvoll ausgedehnte n Killer-Sequenzen.
Wenn Amerika also nur ein Business ist, dann ist es ein verdammt trauriges Business. Mit Brad Pitt als seinem entspannten Exekutor jedoch absolut sehenswert.

KURIER-Wertung: **** von*****


USA  2012. 97 Min. Von Andrew Dominik. Mit Brad Pitt, Ray Liotta, Richard Jenkins.

Wer glaubt eigentlich noch an Weihnachtsmann, Sandmann, Osterhasen oder gar die Zahnfee?
Leider immer weniger Kinder. Schuld daran ist der Boogie-Man, eine Art Gruftie mit spitzem Kinn, der zuerst den Sandmann erledigt und dann den Kindern schlechte Träume ins Auge träufelt. Je schlechter die Träume, desto größer die Angst und desto geringer die Bereitschaft, an märchenhaften Gestalten festzuhalten.
Das witzig-düstere Animationsspektakel aus dem Hause DreamWorks ist eine Art Familientreffen von Kindermythen. Der Weihnachtsmann – seinem Akzent nach zu schließen Russe – hat eine Krisensitzung einberufen, um mit Osterhase, Zahnfee, Sandmann und dem Winterknaben Jack Frost den Boogie-Man zu vertreiben. Die Actionsequenzen im Kampf um die Kinderherzen geraten teilweise etwas länglich, doch der Humor steckt im Detail. Die Weihnachtselfen sind kleine Dreiecke mit Spitzohren, die Zahnfee fingert dauernd jemandem im Gebiss herum und Jack Frost friert die Goldfische im Aquarium ein. Boogie-Man selbst bringt mit seinen schwarzen Pferden Horror-Feeling ins Weihnachtsabenteuer für fortgeschrittene Kinder.

KURIER-Wertung: **** von *****

Animation: USA 2012. 97 Minuten. Von Peter Ramsey. Mit den Stimmen von Hannah Herzsprung, Florian David Fitz, Matze Kop.

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Vater, Tochter und Baseball. Das Pinkeln dauert schon etwas länger. Auch die Augen wollen nicht mehr so richtig. Irgendwann nagt das Greisenalter auch an einem Mann wie Clint Eastwood.
Mit gebotener Altersstarre und als Vater einer Frau, von der er auch locker der Großvater sein könnte, spielt Eastwood einen Baseball-Scout mit schwerem Augenproblem. Das geht so weit, dass er die Spieler, die er auf ihr Talent hin beobachten müsste, kaum noch erkennt. Anlass genug für einen karrieresüchtigen jungen Kollegen, zur Intrige gegen den alten Mann anzusetzen.
Unter der Regie von Robert Lorenz, Eastwoods langjährigem Regie-Assistenten, entfaltet sich ein schwer am Schmalz entlangschrammendes, gefühliges Beziehungsdrama zwischen Vater und Tochter und zwischen Tochter und ihrem potenziellem neuen Boyfriend. Jedoch ein hervorragendes Ensemble – von John Goodman als bärbeißigem Baseball-Spezialisten, Amy Adams als genervter Tochter und Justin Timberlake als Baseball-Nerd – macht ein völlig konventionell gestricktes und zielstrebig auf sein Feel-Good-Ende hinarbeitendes Melodram dennoch sehenswert. Trotz Harmoniesucht mit Kitschverdacht.

KURIER-Wertung: *** von *****

Drama: USA 2012. 111 Min. Von Robert Lorenz. Mit Clint Eastwood, Amy Adams, Justin Timberlake, John Goodman.

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In ihrem Haus
Das Verhältnis zu seinem literarisch begabten Schüler wird für einen Lehrer zur Obsession. Wieder ein gelungener Genrewechsel von Frankreichs Regiestar François Ozon, der zuletzt mit der Komödie „Das Schmuckstück“ reüssierte. Thriller.

KURIER-Wertung: **** von *****

Silent Hill: Revelation 3-D
In der Kino- Fortsetzung ihres Albtraums sucht die traumatisierte Heather in der Dämonenstadt Silent Hill nach ihrem verschwundenen Vater. Gar grausliche Videogame-Adaption. Horror

KURIER-Wertung: *** von *****

Was bleibt
Ein Wochenende am Land bei Mama und Papa entpuppt sich als Anfang vom Ende der künstlichen Familienidylle. Emotionen, großartig seziert vom Deutschen Hans Christian Schmid. Familiendrama

KURIER-Wertung: **** von *****

Paradies: Liebe
Ulrich Seidls meisterlicher erster Teil seiner „Paradies“-Trilogie, in der eine Sextouristin aus Österreich in Kenia das flüchtige Glück mit jungen Beach Boys sucht. Drama

KURIER-Wertung: ***** von *****


Der Trailer zu "In ihrem Haus"

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