Kultur

Bonello: "Es war wie im Gefängnis"

KURIER: Ist "Das Haus der Sünde" ein Film über die jungen Frauen, die dort arbeiten, oder ein Film über das Lustgewerbe an sich?
Bertrand Bonello: Es ist vor allem ein Film der Kontraste: Luxus und Krankheiten, Champagner und Armut, diese Gegensätze prallen ständig aufeinander. Natürlich stehen die jungen Frauen für mich im Mittelpunkt: Ich wollte aus ihrer Perspektive filmen, so nah wie möglich an sie herankommen. Ihren Zusammenhalt zeigen. Sie konnten ja ihre hermetische Welt dort nicht verlassen.

Ihr Freudenhaus ist ein geschlossener Ort, aus dem es kein Entrinnen gibt.
Das war meine Intention, es so beklemmend darzustellen. Meine Recherchen haben ergeben, dass die Bordelle im Fin de Siècle wie Gefängnisse waren: Es war immer finster, die Vorhänge waren stets zugezogen. Alles Alltägliche sollten draußen bleiben. Die perfekte Inszenierung des Vergnügens.

Wie haben Sie Ihre Darstellerinnen gefunden?
In einem mühsamen, neun Monate dauernden Prozess. Das war für mich der schwierigste Teil des ganzen Projekts, die richtigen Mädchen zu finden. Sie mussten von ihrer Anmutung ins 19. Jahrhundert passen und gleichzeitig etwas Heutiges haben. Wie ein Bouquet von Blumen, die alle anders duften, aber ein betörendes Ensemble bilden sollen. Über den Andrang potenzieller Darstellerinnen war ich erstaunt: Offenbar fanden alle Pariser Mädels es cool, in so einem Film mitzuspielen.

Ist Ihr Film auch eine Reminiszenz an etwas Vergangenes? Seit 1946 ist ja der Betrieb von Bordellen in Frankreich verboten.
Sicher ist er das auch. Ich wollte zeigen, dass etwas atmosphärisch Unvergleichliches zugrunde gegangen ist. Das war mehr Melancholie meinerseits als Nostalgie. Die Prostitution an sich kannst du ja nicht verbieten, die wird es immer geben.

Am Ende schwenken Sie in die Gegenwart zu einer Hure im heutigen Paris. Wollten Sie den Vergleich zwischen damals und heute ziehen?
Ich wollte die Zuseher in die Realität zurückholen. Sie aufwecken: Hallo, seht her, heute hat Prostitution gar nichts Schönes mehr.