Kultur

"Applaus? Das soll uns nicht stören!"

Drei Altstars des Theaters diskutieren über Streit, Freundschaft, Humor, das Alter, Schillers "Glocke", Bildungsreformen und die Last des Status als Publikumsliebling. Schenk: "Mir geht ein Auftrittsapplaus schon auf die Nerven!"

KURIER: Sie kennen einander so gut und so lange – wie laufen die Probenarbeiten ab?

Helmuth Lohner: Wie soll ich’s sagen ...?

Otto Schenk: Na sag’s!

Lohner: Ich habe Probearbeiten gern ruhig. Aber dann wird es auch manchmal lauter, es entwickeln sich Streitereien. Als Regisseur muss man die anderen überzeugen, dass man im Recht ist – auch wenn man unrecht hat.

Schenk: Nein, muss man nicht!

Lohner: Um dann zuzugeben, dass man im Unrecht war.

Harald Serafin: Was?!

Schenk: Du schilderst das, als ob da ein ständiger Krieg wäre – dabei haben wir doch ein Einvernehmen, das ich seit Jahren so nicht erlebt habe!

Serafin: Ja, wir haben uns fast verlobt!

Lohner: Ich kenne die Qualitäten meiner Kollegen. Und die müssen gefördert werden. Und von Streit red’ ma nix!

Dieses Stück wurde schon 40 Mal inszeniert – was macht es so erfolgreich?

Lohner: Wie immer – die Geschichte.

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Schenk:Die Sorgen! Die Sorgen, die jeder erlebt, entweder selber oder mit Verwandten. Das Umgehen mit dem Ende, das Niederspielen des Endes. Die Hoffnung bis zum Schluss, die wir komödiantisch bedienen. Das Schöne ist, dass dieses Stück nicht belehrend ist. Das sind echte Figuren und bekannte Sorgen. Es entsteht eine Liebe zwischen einem jungen Mädel und einem alten Herren, der das nicht ausnützt – aber sie könnten ein Liebespaar gewesen sein.

Serafin: Und die Freundschaft! Hauptthema ist, dass man am Ende eine dicke Freundschaft findet zwischen zwei Beschädigten, zwischen Streit und Güte und Verzweiflung.

Das ist ja sehr aktuell: Die Lebenserwartung steigt, aber das Thema Alter wird ausgeblendet.

Serafin: So steht es im Text – man wird "weggeschoben".

Lohner: Man darf die Menschen in den Altersheimen nicht einfach vergessen ...

Schenk: Aber wenn man uns so reden hört, glaubt man, es ist nur ein tragisches Stück! Und das ist es nicht. Das Großartige daran ist, dass es so selbstverständlich ist. Man hat Sätze zur Verfügung, die tatsächlich gesprochen wurden. Der Text leuchtet im Publikum auf und sorgt für Wiedererkennen, und das sorgt für Amüsement. Mich interessiert ja Theater nicht. Mich interessiert nur das Leben und die Möglichkeit, das Leben aufs Theater zu bringen. Ich werde immer nur durch die Hintertür des Lebens ins Theater treten.

Lohner: Alles ist in den typisch englischen Humor eingebettet. Er dient dazu, über die Dinge hinwegzukommen.

Serafin: Als ich das Buch gelesen habe, hat mich die Möglichkeit fasziniert, auch im Altersheim in Freundschaft aufgefangen zu werden. Ich fand es so berührend, dass die Figuren nicht allein sind.

Theater interessiert Sie nicht?

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Schenk:Künstliches Theater interessiert mich nicht. Die Menschen wollen wahrhaftiges Theater. Es ist ja auch noch nie so viel gebuht worden im Theater und in der Oper. Weil die Mehrheit der Besucher gegen Künstliches ist. Und der Helmuth als Regisseur passt wie ein Luchs auf, dass nichts aufgesagt wird, sondern dass gesprochen wird, als wäre es wahr.

Lohner: Man merkt im Theater sofort, wenn ein auswenig gelernter Satz auswendig aufgesagt wird. Wie damals in der Schule (zitiert leiernd, wie ein Schüler) "Hat der alte Hexenmeister/sich doch einmal wegbegeben ..."

Schenk: Und das war jetzt schon sehr natürlich gesagt ...

Lohner: Du weißt ja, wie es war, als wir als Kinder diese Balladen lernen mussten.

Schenk: Ein Jammer, dass man die nicht mehr lernt!

KURIER-Fotograf Jürg Christandl (mischt sich ein): Meine Tochter musste "Zauberlehrling" und "Glocke" lernen!

Lohner: Die ganze "Glocke"? Die ist sehr lang.

Schenk: "Zauberlehrling" kann ich heut noch, die "Bürgschaft" auch.

Lohner: Es ist furchtbar, was beim Thema Schule herumgestritten wird!

Schenk: Bei allen Reformen werden sie um eines nicht herumkommen – um den guten Lehrer. Der gute Lehrer ist in jeder Schulform das Wichtigste. Er müsste hoch bezahlt werden. Es müsste die beste Ausbildung für Lehrer geben und eine strenge Auslese. Ich weiß gar nicht, ob ich je zum Theater gegangen wäre, hätte mich mein Deutschlehrer nicht zum Theater verführt.

Sie sind alle drei das, was man Publikumslieblinge nennt ...

Lohner: Ich nicht!

Serafin: Aber ich bitte dich, natürlich bist du das!

Heute sagt man Kultfigur. Ist es schön, so etwas zu sein?

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Schenk:Es ist wie Wasser fürn Fisch – wenn es da ist, schwimmt man. Aber es verpflichtet auch. Wenn ich meine Leseabende mache, dann kommt das so unerhört gut an. Die haben das anscheinend gern. Und ich weiß bis heute nicht, warum. Man weiß nicht, warum man ein Liebling wird. Und ob man das wirklich ist. Auch jetzt stehen wir, wie bei jeder Arbeit, vor dem Zweifel. Ich war immer nur angenehm enttäuscht vom Erfolg.

Serafin: Ich freue mich, ein Liebling des Publikums zu sein. Das ist ein Geschenk, dafür soll man dankbar sein. Und das soll man pflegen. Publikumslieblinge sind wir, da kann man nichts machen. Dazu stehen wir! Darum wird das Haus voll.

Schenk: Nein. Da muss ich entscheidend widersprechen! Bei jedem Satz, bei jeder Pointe ist mir zunächst einmal der Erfolg nicht wichtig. Sondern: Wie wird es gemacht, dass das Publikum es glaubt. Mir geht es nie um meine Beliebtheit, sondern um die Glaubwürdigkeit. Mir geht ein Auftrittsapplaus schon auf die Nerven, ich möchte mich nie verbeugen. Ich weine dem Vorhangverbot des Burgtheaters nach! Das war ein würdiger Moment, als man nach einer Leistung in Stille nach Hause gehen konnte. Ich verbeuge mich schon linkisch, weil ich das nicht leiden kann!

Vermutlich wird es bei der Premiere viel Applaus für Sie alle geben.

Schenk: Das soll uns nicht stören.

Serafin: Das wäre doch die perfekte Überschrift – "Das soll uns nicht stören".