40 Jahre Walkman: So fing das gemeinsame Weghören an
Von Georg Leyrer
Vor 40 Jahren, im Juli 1979, eröffnete sich plötzlich die Möglichkeit, für gutes Geld ein bisschen Ruhe für die schwierige Aufgabe der Pubertät zu kaufen.
Sony brachte den ersten Walkman heraus, und Teenager weltweit erkannten rasch das Potenzial: Das Ding kann man überall hin mitnehmen – auf Familienausflug, zum Verwandtenbesuch, in den Urlaub. Es hat Kopfhörer. Und hinter diesen kann man sich vor den Eltern verkriechen.
Das sind die Zutaten für eine Revolution.
Es geht um die Liebe
Es wurde eine Revolution, die sich über die folgenden Jahrzehnte zur weltweiten Herrschaft auswuchs (wenn auch längst Apple und Google mehr davon profitieren als Sony). Denn mit dem Walkman wurde die Liebe zum Gadget massentauglich gemacht, die heute vom teuren Handy befriedigt wird: Der Walkman war das erste indiviualisierbare mobile Gerät, das als Statussymbol durchging und das, wichtiger noch, zum Emotionstransfer diente.
Es geht um die Liebe.
Was für heutige Teenager die schnelle Snapchat-Nachricht (Herzerlaugen-Smiley, Zwinker-Smiley), war damals das sorgfältig zusammengestellte Mixtape, das man dem oder der Angebeteten zum Anhören auf dem Walkman schenkte: ein Liebesgeständnis, eine Aufforderung für mehr.
(Für die Nachgeborenen: ein Mixtape ist eine Mischung von Songs, die möglichst genau die Emotionen ansprechen, die man dem Beschenkten gegenüber hegt; und die möglichst kunstvoll auf eine Kassettenseite passt. Kassetten wiederum waren die Dinger, die man mit dem Walkman abspielen konnte.)
Wer hat’s erfunden?
Nein, wir kommen nicht vom Thema ab: Der Walkman war mehr als ein Musikgerät. Er war, zwischen weit schrecklicheren Dingen der 80ern (Schulterpolster! Föhnfrisuren! Die Mumins!) eine Innovation, die weit in die Zukunft wies.
40 Jahre Walkman: Jubiläums-Video von Sony
Erfunden und patentiert wurde der tragbare Musikabspieler übrigens von einem Deutschen, Andreas Pavel, der ein Vierteljahrhundert mit Sony vor Gericht stritt und letztlich einem Vergleich zustimmte (laut Medienberichten erhielt er eine niedrige achtstellige Dollar-Summe). Die Sony-Version wiederum entstand aus einem Diktiergerät, das an Journalisten vermarktet wurde.
Hierzulande, so erinnern sich redaktionseigene Kassettenrekorder-Spezialisten, wurde erst der später erschienene Walkman II zum wirklichen Verkaufsschlager. Dann aber begann das große Zustöpseln: Wer auf sich hielt, hatte Kopfhörer auf.
Es begann die Ära des gemeinschaftlichen Weghörens, des hochindividuellen Kulturkonsums, die sich nun ins gemeinsame Handystreicheln beim Date, in der U-Bahn, neben dem Fernsehen zugespitzt hat: Der Walkman machte das Musikhören nicht zum Soundtrack, sondern zum Gegenentwurf zur Welt.
Ruhe jetzt, ihr da draußen. Ich höre Musik.
Das hat für eine Vermehrung innerfamilären Friedens gesorgt: Endlich mussten die Eltern die Musik der Jungen nicht mehr mithören. Aber es hat auch die Grundlagen gelegt für die Konsumzersplitterung, die im Kulturwesen nun allerorts spürbar ist: Wenn jeder etwas anderes hört, worüber soll man dann reden?
Nostalgie jetzt!
Aber wie alles, das die Erwachsenen von heute an verantwortungsfreiere Zeiten erinnert, ist das damalige Musikerleben längst nostalgiebehaftet: Damals, liebe Kinder, hörte man noch ganze Alben konzentriert an!
Natürlich gibt es auch den Retro-Trend zur Kassette.
Und der ewige Kreislauf der Erziehungsbigotterie hat sich weitergedreht: Heute keppeln diejenigen, die sich damals vor ihren Eltern hinter den Walkman-Kopfhörern versteckten, mit ihren Kindern, weil die sich hinter dem Handy verstecken.