Umweltschutz ist nichts für schwache Nerven
Von Simone Hoepke
Samstagabend, kurz vor Ladenschluss. Ich betrete den Drogeriemarkt mit dem festen Vorsatz, ihn in zwei Minuten wieder zu verlassen.
Klingt einfach, ist es nicht.
Ich fühle mich wie ein Dackel, der ohne links und rechts zu schauen durch eine Fleischerei laufen soll.
Hier gibt es alles, was das Leben bunt macht. Man kann so ein Geschäft als völlig neuer Mensch verlassen, wenn man nur ein bisschen Geld investiert. In Wimperntusche für „hypnotisierend schöne Augen“. Oder in Lippenstift mit Boost-Funktion. Oder in Cremen, die Falten binnen 60 Sekunden garantiert aus jeder Visage radieren.
Wie mit Scheuklappen trabe ich an all dem vorbei, nehme nur Duschgel und Zahnpasta. Stolz, sämtlichen vernunftbefreiten Impulskäufen widerstanden zu haben und schnell wieder draußen zu sein.
Da schießt eine Dame wie von der Tarantel gestochen zwischen zwei Regalen hervor, schneidet mir den Weg zur Kassa ab, drängt sich vor. Erstaunliche Ellbogentechnik, alle Achtung. Ich bleibe ruhig.
Doch sie regt sich auf. Wegen der Wattestäbchen. Die sind nämlich aus Plastik und verschmutzen die Meere, keppelt sie aufgebracht.
Man kann ihr schwer widersprechen. Ich bin mir nur nicht sicher, ob das Problem kurz vor Ladenschluss durch das Ankeifen einer Kassiererin gelöst werden kann.
Sie auch nicht.
Deswegen verlangt sie jetzt die Geschäftsführung. Die EU habe Einwegplastik verboten und hier werde es dennoch verkauft. Die Verkäuferin erklärt, dass das Zeug erst ab 2021 verboten ist. Die Kundin rollt mit den Augen, verlässt fluchend das Geschäft. Draußen steigt sie in einen SUV und braust davon.
Ein interessanter Auftritt.
So ähnlich wie der Kreuzfahrtpassagier, der den Cocktail ohne Trinkhalm bestellt. Als persönlichen Beitrag zum Umweltschutz.
Ohne Kunststoff zu leben, ist leichter gesagt als getan. Selbst Ratgeber zum Thema Leben ohne Plastik stecken in einer Folie aus Plastik.
So wie meine Zahnpasta. Und das Duschgel.