Stadtgeflüster: Ein guter Tag
Von Julia Schrenk
Im Drogeriemarkt an der Kassa: Frau hinter mir: „Ein Sackerl bitte.“ Frau an der Kasse: „Stoff, Papier, Permanent?“ Frau hinter mir: „A normales Plastiksackerl, bitte.“
Diese Frau hat mir diese Woche den Rest gegeben.
Den Anfang hat eine Freundin gemacht. Sie unterrichtet Physik und hat unlängst einen neuen Vortrag über die Klimakatastrophe gehört. Das Szenario: Der Zustand unserer Erde im Jahr 2050 – wenn wir so weitermachen wie bisher.
Kalifornien wird es dann nicht mehr geben. Miami auch nicht, weil es untergegangen ist – wie viele Inseln etwa auch. Manche Regionen werden unbewohnbar sein, daher Millionen Menschen auf der Flucht.
Okay.
WAS?
2050? Miami tot?
Da bin ich noch nicht einmal in Pension.
Dann hat sie vom Projekt „Ein guter Tag“ (www.eingutertag.org) erzählt. Mithilfe dieses Online-Rechners kann man den eigenen CO2-Verbrauch an einem gewöhnlichen Tag eruieren. Arbeiten, kochen, lesen, Sport treiben – für jede Tätigkeit gibt es Punkte, maximal 100 darf man erreichen, um Welt und Klima im Gleichgewicht zu halten. Und so viel vorweg: Dieser Rechner ist nichts für schwache Nerven. Als Österreicherin startet man mit 31 Punkten Basiswert. Für Heizen mit Gas kommen 20 dazu. Fürs Wäschewaschen 10. Dann ist nicht mehr viel übrig: Joghurt zum Frühstück? 4 Punkte. U-Bahn-Fahren? Auch 4 Punkte. Einmal wöchentlich Fitnesscenter? 43 Punkte. Im Urlaub nach Griechenland fliegen? 10.000 Punkte.
Alles deprimierend. Die Freundin hat jetzt beschlossen, nicht mehr zu fliegen. Und was machen wir alle anderen eigentlich? Wir kaufen im Winter die in Plastik eingepackten Paradeiser. Wir fliegen zwischendurch nach Barcelona, weil der Flug nicht einmal 100 Euro kostet. Wir holen Coffee-to-go aus der Kantine, obwohl wir uns das Häferl aus dem Büro mitnehmen könnten.
Die 16-jährige Klimaschützerin Greta Thunberg kommt im Mai nach Wien. Wird Zeit, dass sie uns auch hier die Welt erklärt – bevor sie untergeht.