So schön war's mit Klapphandy und Langeweile
Von Vea Kaiser
Als meine Generation in der Pubertät war, waren wir stolz, wenn wir dem Klapphandy einen besonders coolen Klingelton entlockten. Mein fünfjähriger Neffe hingegen kann am Smartphone seiner Mutter YouTube aktivieren, sich Zeichentrickfilme anschauen und Spiele meistern, die so grell und bunt sind, dass ich mit meinen lichtempfindlichen Augen nicht einmal zuschauen kann. Es gibt in meinem Freundeskreis sogar noch jüngere Profis. Der mir bekannte Rekordhalter ist ein Zweijähriger, der seine Oma ohne Hilfe via Facetimen anrufen kann. Damit hat er meinem Ehemann einiges voraus. Ich finde das ja gut, wenn Kinder mit der Welt umgehen lernen, in der sie aufwachsen. Aber als ich meinen Neffen beobachtete, der nach dem Baden im Schatten mit dem Handy spielte, beschlich mich die Sorge, dass seiner Generation das schönste und fürchterlichste Sommergefühl überhaupt entgeht: die Langeweile. Können Sie sich erinnern? Wenn wir nicht fernsehen durften, keine Freunde Zeit hatten und wir nichts anderes mit uns anzufangen wussten, als zu sudern: „Es ist sooooo faaaaad!“ Die Eltern lieferten meist unbrauchbare Vorschläge, was wir tun könnten. Und trotzdem kamen wir durch, denn irgendeine Beschäftigung fand sich immer. Meist entstanden sogar die besten Abenteuer aus Langweile: Wir entdeckten neue Verstecke, heckten Schabernack aus oder empfanden unerwartete Freude daran, ein Puzzle zu legen. Wir lernten uns zu konzentrieren, denn nichts lenkte ab. Und die Phantasie schlug Purzelbäume. Natürlich, diese Langeweile war oft quälend. Doch umso großartiger das Glücksgefühl, einen Ausweg aus ihr zu finden. Das möchte ich nicht missen. Vielmehr sehne ich mich danach zurück! Denn während meine Freizeit mit Gefrierschrank-Abtauen und Kleiderschrank-Ordnen ausgefüllt ist, denke ich ständig: Wie schön waren diese Sommer der grenzenlosen Langeweile.
vea.kaiser@kurier.at