Kolumnen

Schuh geht essen: Reservierte Bestellung

Es gibt in Wien einen Wirt, den können Sie anrufen und höflich fragen: „Bitte, ich möchte einen Tisch bestellen.“ Dieser Wirt wird Ihnen antworten: „Huach amoi zua. I bin ka Tischler, i bin a Wirt. Bei mir können Sie einen Tisch reservieren, heute Abend, bitte sehr, aber zum Bestellen gibt’s da nix. Auch wenn Sie das sind, an Tisch kann i Ihna heit nimmer mochn. Und murg’n a net.“ Als Aussage gehört der Wirtsmonolog zur bekannten Problemlage, in der ein Mensch in der Sache recht hat, aber in der Form alle Grenzen überschreitet, auf die er mit seiner sachlichen Richtigkeit pochen kann. Für mich ist die Frage interessanter, ob dieser Mensch, der einem mir nix dir nix eine Goschen anhängt, seinen Beruf verfehlt hat oder ob er vielleicht im Gegenteil eine Variante seines Berufes darstellt, die gleichsam „erdgebundene“, auf die ich nicht verzichten möchte.Jedenfalls ist mir der Mann lieber als eine typisch hinterfotzige Strategie des Umgangs mit meiner eh immer unterwürfigen Bestellung: Im Innviertel gibt’s ein Nobellokal. Schon seit dessen Gründung versuchte ich, einen Tisch zu ergattern. Zuerst rief ich am Vorabend an, dann eine Woche vorher, dann zwei Wochen vorher, dann zwei Monate vorher und als ich bei einem halben Jahr angelangt war, sagte der Maître endlich: „Gebongt!“ Ich richtete mein Leben auf den großen Augenblick in dem kleinen Lokal ein. Ich füllte mein Konto mit mündelsicher ausgeborgtem Geld. Ich putzte die Kreditkarte, bis sie glänzte, aber da erreichte mich eine Woche vor dem Ereignis der Anruf des Maîtres: Es täte ihm leid, Platz für mich hätte er keinen, aber für meine Bestellung spräche er mir herzlichen Dank aus.

Jedenfalls ist mir der Mann lieber als eine typisch hinterfotzige Strategie des Umgangs mit meiner eh immer unterwürfigen Bestellung


Ich kann ins Treffen führen, dass auch Paranoiker manchmal wirklich verfolgt werden. Wissen Sie nämlich, was ich glaube? Ich glaube, im Innviertler Lokal hat ein Stammgast angerufen, sagen wir, sein Sohn hat überraschend die Nachprüfung auf der Fachhochschule bestanden, und das müsse man doch feiern ...

Seit Jahren bestelle ich reibungslos Tisch um Tisch im Fischrestaurant „Ragusa“. Wenn der Taxifahrer erklärt, das „Ragusa“, das ist doch beim Freud, bin ich stolz auf die Wiener Taxler, auch auf die, die ich sonst durch die Schluchten der Großstadt führen muss. Berggasse 15 ist die Adresse des Restaurants und Freud wohnte auf 19. Das „Ragusa“ hat im Vergleich zu vielen Lokalen auf der Welt einen ungeheuren Vorteil: Es ist ein Lokal, in dem man nicht nur das eigene Wort, sondern sogar das seiner Begleitung – zumindest akustisch – versteht. Der zweite ungeheure Vorteil des „Ragusa“: Die alten kroatischen Lokale in Wien hatten einen leicht beengenden Charme. Das „Ragusa“ ist zwar auch modernisiert, aber es hat noch diesen nostalgischen Reiz des in den Sechzigerjahren ausgebrochenen Wohlstands, den seinerzeit jugoslawische Potentaten mit Gastarbeitern aus Titos Reich mitten unter den Wienern feierten – manchmal, schluchz, bei Postup („Vrhunsko vino“) und Musik. Aller guten Dinge sind drei und das Beste im „Ragusa“ ist der Branzino in der Salzkruste: Dass man den „Wolfsbarsch“ so weich kriegen kann, ist ein Wunder der Kochkunst.

Fischrestaurant Ragusa
Berggasse 15, 1090 Wien, Tel. 01/3171577, ragusa.at, geöffnet Montag bis Freitag von 11.30 bis 14.30 Uhr und 18.00 bis 22.30 Uhr, Samstag 18.00 bis 22.30 Uhr