Kolumnen

Paaradox: Und wer spielt heute?

SIE

"Eiertanz, der“.  Bekannte Redewendung, von der nur  wenige wissen, dass sie auf ein Erlebnis Goethes zurück geht. Der Dichter sah ein Mädchen, das Eier auf einen Teppich legte, um  mit verbundenen Augen drumherum zu tanzen. Kein Ei wurde berührt. Goethe war erstaunt und schrieb dieses Staunen nieder. Seitdem sprechen alle vom „Eiertanz aufführen“, wenn sie sehr vorsichtig sein müssen.

Oha & baba

Wie ich darauf komme? Weil bei uns daheim gerade akuter Eiertanz-Alarm ist. Ich so, unlängst: „Du, die X und der Y würden gerne mit uns ins Landgasthaus Z fahren. Geht das eh am nächsten Samstag?“ Das Irrlichtern in seinen Augen signalisierte: falsche Frage, ganz falscher Zeitpunkt. Obacht, Kuhn. Im „Mea culpa“-Zentrum meines Gehirns glühten die Synapsen. „Wos war mei Fehlleistung?“, fragte ich mich. Inneres Stimmengewirr: „Du hast beim Reden gespuckt“, „Du hast Mundgeruch“, „Er glaubt, ich habe was mit dem Y“. Etwas später die adrenalingeschwängerte Aufklärung des Mannes nebenan: Bist du irre? Das geht  nicht, da spielt um 12 Frankreich gegen Australien, um 3 Argentinien gegen Island, um 6  Peru gegen Dänemark und um 9 Kroatien gegen Nigeria. Jössas! Fußball-WM, man hat davon schon gehört. All meine weiteren Anfragen zu Hochzeitstags-  und Nahrungsaufnahme-Dates  –  schlicht „gemeinsames Abendessen“ genannt – wurden von ihm brüsk abgeschmettert.  Schließlich ergänzte er: Bitte alles, was du ausmachen möchtest,  schriftlich deponieren. Ich muss dann irgendwie schauen.  Oha. Kann er haben, der gute Mann – und wie er schauen wird! Ganz zufällig arbeite ich nämlich gerade an einer  großen Geschichte für die  Reisebeilage des KURIER . Thema: „Frauen, die alleine reisen.“  Baba, Mann. Baba, Eiertanz. Schön war’s mit euch.

gabriele.kuhn@kurier.at

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ER

Meine  erste Aussendung an gnä Kuhn übermittelte ich bereits im April. In der teilte ich offiziell mit, dass zwischen 14. Juni und 15. Juli ein Ereignis von enormer Bedeutung stattfindet, und es daher zu terminlichen Engpässen kommen kann. Ich tat das deshalb so früh, damit  mir die Liebste am Vorabend des Eröffnungsspiels nicht ihr berüchtigtes  „Wie? Was? WM?“ um die Ohren ballert. Ab dann gab ich im Wochen-Rhythmus liebevolle WM-Bulletins heraus, stets mit dem Hinweis, dass sämtliche Rendezvous  dieser Ära bitte frühzeitig mit mir abzustimmen sind. Einmal schickte ich die Nachricht 29. Juni., 4., 5., 8., 9., 12., 13. Juli  – spielfreie Tage, bin für alles bereit!, ein anderes Mal erstellte ich in präziser Kleinarbeit eine Skala von 1 bis 10, um der Königin der WM-Ignoranz hinsichtlich Kompromissregelungen Überblicke zur Match-Bedeutung zu gewähren. Da stand dann  etwa 21. 6., 20 Uhr, ArgentinienKroatien 7 (Höchstwert bei Vorrundenspielen) oder  23. 6., 17 Uhr, SüdkoreaMexiko 3 (Mindestwert). Ab dem Achtelfinale  gibt es natürlich nur mehr  8er-, 9er- und 10er-Partien.

Brisanz

Das Problem bei diesem System ist nur, dass sich im Laufe eines Turniers die Prioritäten verschieben können, und die Liebste extrem gereizt reagiert, wenn sie nach einem Skala-Blick für unseren Hochzeitstag ein nettes Arrangement plant, das Duell Polen – Kolumbien aber womöglich völlig unerwartete Brisanz gewinnt. Sie: „Geh’ bitte, da steht, das ist nur ein 4er-Spiel.“ Ich: „Eh, aber ich wusste ja nicht,  ...“ Das ist ihr dann völlig wurscht, und sie droht mit Verreisen. Und ich sage nur: „Schatzi, ehrlich, ich versteh’ dich total. Aber wenn du magst, komme ich am 16. Juli nach.“

Nächste Paaradox-Lesung: 30. Juni in Leobersdorf

michael.hufnagl@kurier.at

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