Paaradox: Stop & Go
Sie
„Jedem Depp seine App.“ Der Mann nebenan reiht sich mit diesem Satz eher nicht in den Rat der Weisen ein, doch zumindest einer findet ihn superduper: er selbst. Gehört habe ich ihn im Laufe unseres Alm-Urlaubs daher öfter. Wie erwähnt, vertraue ich meiner Wetter-App. Sie zeigt mir am Morgen, wann, wo und wie viel es regnen wird oder ob ich das Badezeugs aufbügeln soll. Diese Vorhersehbarkeit macht mich froh, soll er über die App-Deppin ruhig witzeln.
Im Gebüsch
Umso mehr triumphierte ich, als er bei seinen Outdoor-Aktivitäten nass wurde, nachdem ich ihn zuvor gewarnt hatte: Du, die App sagt, es wird in den nächsten Stunden schütten, bleib lieber da. Worauf er in knapper Hose aufbrach und meinte: Mir doch wurscht, ein Naturbursch braucht ka App. Und während ich mit Buch im Trockenen kuschelte, erreichte mich eine WhatsApp-Nachricht: Hocke seit 25 Minuten im Gebüsch. Kannst du mir sagen, wann es aufhört, zu regnen? Worauf ich böse kichernd ins Handy tippte: Keine Ahnung. Ich hab die App gelöscht. Das deshalb, weil er im Urlaub auch über meine Pflanzenbestimmungs-App gelästert hat. Aber was gibt es Schöneres, als eine Blume als Sumpf-Vergissmeinnicht identifiziert zu wissen? Oder etwas über Blattnerven, Blattspreite und Blütenstand zu lernen? Ich jubilierte: Jö schau, ein kriechender Günsel! Und hier, das drüsige Springkraut! In seinen Augen: nichts, Kälte, Gefühllosigkeit. Stattdessen fragte er mich, ob ich neben meinem mentalen Wettersturz jetzt auch noch einen Almrausch hätte. Und er betonte, dass das einzige Grünzeug, das ihn interessieren würde, Weidelgras „oder so“ hieße, weil das „einen schönen Fußballplatz macht“. Dann rupfte er an einem Halm und fragte: Hahn oder Henne? Typisch Naturbursch’, halt.
gabriele.kuhn@kurier.at / facebook.com/GabrieleKuhn60
NEUE TERMINE: 8. 10. Stadtgalerie Mödling; 16. 10. Stalltheater Königstetten; 14.11. Bühne im Hof, St. Pölten; 16.11. Hagenbrunn; 19. 11. Langenlois
Er
ErWanderurlaub. Das war die Devise für den Familienausflug. Das Tückische daran ist, dass der Begriff „Wandern“ eine einigermaßen kontinuierliche Fortbewegung umfasst. In unserem Fall wäre hingegen „Dauerzwischenstoppurlaub“ die angebrachte Beschreibung. Hund Gustav, auch Schnofelkönig der Berge gerufen, lässt nicht nur keine Gelegenheit aus, den Wegesrand in bockiger Beharrlichkeit zu inspizieren. Er nützt darüber hinaus jede Möglichkeit, in Teichen und Bächen zu verharren, als gäbe es kein Plansch-Morgen. Die Tochter bummelt indessen über die Almwege und unterbricht ihre im Schleichmodus gelebte WhatsApp-Kommunikation mit den Friends bestenfalls mit der gelegentlichen Frage „Wann simma da?“ Bewundernswert daran ist lediglich die Fingerfertigkeit, mit der sie elendslange Botschaften schneller tippen kann als ich sie lesen könnte.
Parallelwelt
Ja, und dann ist da noch gnä Kuhn. Die permanent „nur kurz“ stehen bleibt, um sich einen Pulli an-, eine Jacke aus- oder einen mühsam hervorgekramten Apfel reinzuziehen. Und die sich tatsächlich immer noch von Wiesenkräutern in eine Parallelwelt entführen lässt. Leider endet ihr Repertoire bei Huflattich, Löwenzahn und Schafgarbe, weshalb sie ihre Bestimmung im Bestimmen zu finden glaubt. Und nicht versteht, dass ich die Identifizierung von Knoblauchsrauke, Weiße Taubnessel und Mädesüß ungefähr so belebend finde wie eine Harnwegsentzündung. Ich will mit Blick auf die Natur wandern – Schritt für Schritt kuhfladenzählend dem Ziel (Speckknödel und Bier) entgegen. Stattdessen höre ich Wuff und Mah und Jö! Aber wehe, ich erhebe die Stimmung im Sinne einer Hopp-Hopp-Sehnsucht, dann blicke ich in drei Gesichter, in denen stets geschrieben steht: Entspann dich! Das tat ich dann auch und checkte via Handy Fußballresultate. Gipfelstürme sind sowieso überschätzt.