Kolumnen

Paaradox: Einer wird gewinnen

Sie

Zugegeben, mein Puls erhöht sich kaum, wenn der Mann gegenüber ruft Lass uns doch spielen! Mein Spieltrieb ist bescheiden, zumindest was Brettspiele, Strategiespiele oder Kartenspiele betrifft. Das hat damit zu tun, dass ich mich in meiner Freizeit nicht aufregen mag. Was durchaus passieren kann, wenn’s nicht läuft (mein Rumpelstilzchen-Gen!) Früher eskalierte das: vom Tisch gefetzte Spielbretter, zerknüllte Karten, hitzige Heulanfälle. Heute fehlt mir vor allem der Zug zum Tor. Ich sehe nicht ein, warum ich mir beim Schnapsen die Stiche merken muss, um was zu reißen. Ich will intuitiv triumphieren und mich nicht anstrengen müssen.

Das Spiel leben

Der Liebste ist anders: Er liebt das Spiel, er lebt das Spiel, er ist Stratege und „Pokerface“-Fachmann. Er strengt sich richtig an, lässt keinen noch so fiesen Trick aus. Was mir unlängst wieder klar wurde, als er mit angriffslustigem Blick detailreich von den jüngsten Scrabblepartien gegen Freund A erzählte. Wie er taktiert, weil der andere ebenfalls taktiert, man dieses Wort nicht schreibt, damit der andere jenes Wort nicht schreiben kann, jeder für sich die Anzahl der noch vorhandenen Selbstlaute im Kopf hat (weil: mitgezählt, eh klar!) und jeder so tut, als hätte er eh schon aufgegeben. Ein einziges Tricksen, Tarnen, Täuschen. Wie strapaziös! Nur vom Zuhören bekam ich Schläfenpochen, ich sagte: „So nett die vergangenen Scrabbles mit dir waren, aber ich fürchte, dafür fehlt mir einfach das innere Feuer. Ich komm’ da nimmer mit.“

Er lächelte und erwiderte: Macht nix, musst du auch nicht. Bei dir taktiere ich ja nie, da bin ich total gelassen. Wer’s glaubt! Auch hier vermute ich knallhartes Täuschen und Tarnen aufgrund seiner strammen Verliererneurose. Schließlich konnte ich bei den vergangenen Partien mein Einserstockerl mühelos halten. Da wäre es wohl schlimm zuzugeben, er hätte sich genauso angestrengt wie beim Auswärtsspiel – und trotzdem gegen mich verloren. Sei’s drum. Hauptsache, Erste.

gabriele.kuhn@kurier.at / facebook.com/GabrieleKuhn60

Er

Was  meine Frau nicht überreißt: Es gibt einen gravierenden Unterschied zwischen spielen und spielen. Wenn ich nämlich mit ihr am Scrabble-Brett sitze, existieren eheliche Sonderregeln, die dem Unternehmen Tüfteln & Triumphieren die Strenge nehmen und ihr  mehr Chancen geben. So kann sie frisch und fröhlich Wörter verteilen, ohne viel befürchten zu müssen. Dabei verlängert sie z. B. mit Vorliebe Begriffe nach dem Motto Das kann man schon gelten lassen auf Gnombein, Yogalaune oder Maronisaft. All das winke ich gelassen durch, um ja nicht ihr Spieletrauma zu aktivieren. Ich sage höchstens: „Ich könnte jetzt aus Furz ein Furzmagie machen, aber das heißt halt nix.“ Dann antwortet sie: Für mich völlig okay. Als hätte ich null Stolz.

Herumtollen

Zumal ich mit Freund A nun einmal erbarmungslosen Scrabble-Gesetzen folge. Die führe ich in ihrer Opulenz gar nicht näher aus, nur so viel: Gnä Kuhn bezeichnet unser Hardcore-Selbstverständnis als ein Herumtollen von zwei Ödbären (die lediglich den Duden als oberste Instanz betrachten). Und sie findet es blöd, ein schönes Wort nicht zu legen, weil der andere dann vielleicht ein noch schöneres mit mehr Punkten haben könnte. Spätestens an dieser Stelle wird jede Diskussion sinnlos. Weil meine Frau dem taktischen Gemetzel mit Positionsdenken, Minimalvarianten, Verzicht, Aussetzen, Buchstabentausch, Fallenbau und psychologisch motivierten Befindlichkeitsäußerungen nichts abgewinnen kann.

Sie sagt: Spielen soll doch lustig sein. Ich sage: „Ein verlässlicher Strategieexzess ist lustig. Das Gewinnen ist dann doppelt so befriedigend.“ Und sie: Aber es kann doch nicht immer nur ums Gewinnen gehen. Und ich: „Doch.“ Dann legt sie kichernd Pipihandy, ich nicke gütig … und werde Freund A einfach nix davon erzählen.

Neues Soloprogramm „Musst du so schlürfen?“,  Termine: 17. 2. Wilheringerhof, Klosterneuburg, 22. 2. und  26. 3., CasaNova Wien, 20. 3., Studio Akzent, 20. 4.,  Stadtgalerie Mödling

michael.hufnagl@kurier.at / facebook.com/michael.hufnagl9