Kralicek geht essen: Wie bei Mutter
Heißt es von einem Gasthaus, man könne dort speisen „wie bei Mutter“, dann ist das mit Vorsicht zu genießen. Woher wissen die, wie unsere Mütter kochen? Nur bei Mutter schmeckt es wie bei Mutter, und natürlich schmeckt es bei jeder Mutter anders. Klar ist, dass Mutters Küche prägenden Einfluss hat. Unter Umständen kann es zu traumatischen Geschmackserfahrungen kommen, die einem bestimmte Speisen ein für alle Mal ungenießbar machen. Vor allem aber werden an Mutters Herd geschmackliche Vorlieben ausgebildet, die einen lebenslang begleiten.
Es liegt in der Natur der Sache, dass unsere Mütter mindestens eine Generation älter sind als wir. Schon deshalb kochen sie anders, als wir das heute gewohnt sind. Oft haben Mütter etwa Gerichte im Repertoire, die sonst selten bis nie auf einer Speisekarte stehen. Dillkartoffeln, zum Beispiel, kriegt man kaum noch wo – und wenn, dann schmecken sie nicht annähernd so gut wie bei meiner Mutter. Diese sämige, pikante Sauce, die sie zum Rostbraten macht, kenne ich so überhaupt nur von ihr. Und die Topfenpalatschinken kriegt sie zwar nicht so dünn hin wie ein Profikoch – aber genau das mag ich daran so gerne.
Ausnahmen bestätigen die Regel, aber tendenziell ist Mutters Küche nicht vegan. Und grundsätzlich sind die Lieblingsessen unserer Kindheit eher einfacher Natur. Besonders eingeprägt haben sich ja die Gerichte, die daheim jeden Tag auf den Tisch kamen, und die waren selten besonders aufwendig. Viele unserer Mütter waren berufstätig und aufs Geld mussten sie auch schauen. Gut, dass auch ein Restlessen wie Grenadiermarsch so köstlich sein kann!
Es gehört zum Erwachsenwerden, sich auch kulinarisch von Zuhause abzunabeln. Im Lauf der Zeit entdecken wir immer mehr neue Gerichte, neue Gewürze, neue Geschmackswelten. Manches davon würden unsere Mütter nie kochen, geschweige denn essen; dass Eltern nicht alles begreifen, was ihre Kinder so machen, ist ja nicht nur beim Essen so. Trotzdem: Mutters Küche vergisst man nie, und man kommt immer wieder gern zurück an ihren Herd. Wenn dann das Lieblingsessen auf dem Tisch steht, ist das ein Gefühl, das sich schwer beschreiben lässt. Vielleicht kann man es nicht besser als Helge Schneider sagen: „Hast du eine Mutter, dann hast du immer Butter.“