Johannas Fest: Nichts für Flecken-Phobiker
Von Johanna Zugmann
Das in zart- grünes Seidenpapier zur Rolle eingewickelte Präsent enthielt zwei weiße Lätzchen und eine Einladung zur Calçotada in Barcelonas Restaurant El Pintor. Das Lokal mit seinen Steinmauern, an denen bunte Bilder und Keramikteller hängen und den Decken mit dicken Holzbalken ist ein gastronomisches Landmark mitten im gotischen jüdischen Viertel der Stadt.
Die Calçotada wiederum ist eine Spezialität der kata- lanischen Küche. Es handelt sich um auf Holzfeuer – am besten aus dem Schnitt alter Reben – gegrillte Calçots. Diese wachsen aus Sprösslingen einer reifen weißen Zwiebel, die wieder in Erde gesetzt wurden. Wenn sie wieder rund 25 cm lang und 5 cm dick sind, sind sie reif für den Grill. Die Calçots haben im Februar und März Saison, ihre Ankunft wird erst sehnlichst erwartet und dann ausgelassen im Familien- und Freundeskreis gefeiert.
Das Verspeisen von Calçots ist ein ebenso genüssliches wie lustiges Ritual. Ihre äußere schwarz verkohlte Hülle wird von Hand abgestreift, mit der anderen Hand fasst man deren grüne Enden und hebt sie hoch über den zurückgeneigten Kopf, um sich die Schwer- kraft beim Aussaugen des köstlichen Inneren der Stangen zu Nutze zu machen. Schon ihr rauchigsüßer Eigengeschmack ist beglückend, wird aber noch getoppt, vom Dip namens Romesco. Vor jedem Bissen tauchen die Esser ihre immer kürzer werdenden Calçots in die würzige Sauce, die aus Paradeisern, Knoblauch, Mandeln, getrockneten Paprikas, geröstetem Brot, Olivenöl, Weinessig und Wein zubereitet wird.
Zur Calçotada trinkt man typischerweise Rotwein aus dem Porró, einem spanischen Trinkgefäß mit dünnem Ausgussschnabel. Das Einflößen des Rebsaftes aus der Höhe verlangt Fertigkeit, ebenso wie das Trinken, das Schlucken bei offenem Mund erfordert. Diese kulinarischen Freuden, bei denen Kleckern und Patzen unvermeidbar sind, genießt man im Freien vor dem Lokal. „Es ist schon zum Schreien komisch, wenn sich die Festrunde mit ihren Riesenlätzen um den Rost versammelt. Da sind wir plötzlich wieder Kinder“, lacht Cristina. Wo sie sich allerdings mit gutem Grund raushält, ist der vor allem unter Jugendlichen beliebte Wettbewerb „Wer schafft die meisten Calçots?“. Champions bringen es auf bis zu 60 Stück. „Manchmal ist weniger mehr“, weiß unsere hedonistische Freundin. „Die Delikatessen schmecken zwar köstlich, aber sie blähen auch ungemein auf.“