Gesetze im Wort-Reich
SIE
Jeder hat so seine Lieblingsbegriffe. Ich, zum Beispiel, verwende sehr gerne die Worte „suboptimal“ oder aber „allenfalls“. Das, zugegeben, nicht immer ganz passend. So sprach ich unlängst zum Mann nebenan: „Dass die alten, ausgetrockneten Gräser da hinten im Garten noch immer nicht geschnitten wurden, ist eher suboptimal. Allenfalls könnte man eine Erledigung dessen die nächsten Tage in Erwägung ziehen?“ Mit „man“ war naturgemäß der Gatte gemeint. „Naturgemäß“ ist ebenfalls ein Wort, das ich gerne einbaue, in tiefer Bewunderung des Schriftstellers Thomas Bernhard. Und ja: „Gatte“ ist ein mäßig elegantes Wort für den Liebsten, dennoch verwende ich es – immer dann, wenn mich leiser Groll erfasst.
Gegner, Loch und Käsekrainer
Einer seiner Lieblingsbegriffe hingegen ist „antizipieren“. So ist er angeblich perfekt darin, beim Tennis Gegner UND Ball zu antizipieren oder beim Golfspiel Rasen, Loch, Fahne, Wolke und seine Wut auf all das, wenn er nix trifft. Beim Grillen ist er ebenfalls Antizipations-Weltmeister: Indem er Fleisch, Glut, Bier und Käsekrainer-Verkostungsversuche gleichzeitig antizipiert. Sein diesbezügliches Talent lässt, wie oben erwähnt, aber immer aus, wenn der Fokus fehlt. Das passiert, wenn dem Gatten was völlig wurscht ist. Das hohe, eingetrocknete Gras im Garten gehört da genauso dazu wie die das Formulieren einer brauchbaren Antwort auf die zentrale Frage: Stimmt’s, der Rock aus dem Vorjahr schaut an mir nur mehr suboptimal aus, soll ich allenfalls einen neuen kaufen? An seinem Gesichtsausdruck sehe ich da Null Lust am Antizipieren, sondern nur entschlossene Leere.
Paaradox-Lesung: 8. 5. Burg
Perchtoldsdorf
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ER
Ich habe noch nie darüber nachgedacht, was die häufigsten Begriffe sind, die mir im Ehe-Alltag spontan über die Lippen perlen. Was daran liegt, dass mir eher Einstiegskonstruktionen einfallen, wenn es darum geht, im Erledigungswettrüsten zu bestehen. Darf ich dich in aller Liebe darauf hinweisen, ... verwende ich z. B. sehr gerne. Oder auch Nur für den unwahrscheinlichen Fall, dass es dir entgangen sein sollte, ... Diese Formulierungen sind der zarte Versuch, sich einen Hauch von Anerkennung für erbrachte Leistungen zu erschleichen. Eh nicht in dem Umfang, wie es umgekehrt geschieht, das wäre ja anmaßend – denn klar ist ihr Wäscheaufhängen hundert Mal mühsamer und verantwortungsvoller als mein Flaschenwegbringen, da habe ich längst jede Waagschalendebatte aufgegeben.
Der Diener
Aber während ich dreimal laut und enthusiastisch jubiliere, wie unvorstellbar grandios die Liebste den Vietnamesischen Koriander im Kräuterbeet platziert hat (was vor allem dazu führt, dass sie es gerne ein viertes Mal hören würde), sehne ich mich gelegentlich danach, dass gnä Kuhn sagt: „Ah, du hast schon die 73 Säcke Erde und Rindenmulch herangekarrt und hereingeschleppt, so lieb von dir.“ Nix da, sie ist die Künstlerin, die jedes Lob verdient. Ich bin der Diener, dessen niedere Dienste ein Geschenk sind, die er der Koriander-
Königin machen darf. Und ja, da ist das „Antizipieren“ ihrer Bedürfnisse dringend notwendig. Und nein, ich werde nicht damit beginnen, unüberhörbar zu werden, Marke: „So, ich trage jetzt WIE IMMER den übervollen und stinkenden Mistsack hinfort.“ Ich habe auch meinen Stolz. Naturgemäß.
Solo „Abend mit einem Mannsbild“: 9. 5.
Langenlois, 29. 5. Baden, 8. 6. Guntramsdorf, 14. 6. Wien (Studio Akzent)
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