Kolumnen

Fabelhafte Welt: La Famiglia hardcore

Unser Capo della Famiglia, mein Schwiegervater, ist ein sehr großzügiger Mensch. Und deshalb lud er die ganze Mischpoke in ein Haus in Kroatien ein. Es war mein erster Urlaub mit der nicht-geerbten, sondern dazu-erworbenen Familie, und ich freute mich. Doch kurz vor der Abfahrt, als ich erstmals googelte, wo wir hinfuhren, und dass es dort nichts außer nichts gibt, wurde ich ein bisschen nervös. Vor mir lag meine erste Woche mit „la Famiglia“ in Hardcore. Womit und wie würden wir uns beschäftigen? 7 Tage 24h lang? Ich bin ja Nihilophobikerin: Ich habe Angst vor dem Nichts. Also erwarb ich einen Berg Gesellschaftsspiele. Spiel und Spaß für alle. Das endete nicht wie erhofft. Mit la Famiglia war es wunderschön, nur die Spiele meiner Kindheit sind nicht mehr so wie früher: Die sind jetzt modern! Zeitgemäß! Erneuert! Bei Twister gibt es Felder, wo man sich eine Bewegung ausdenken darf. Man muss also in dem einen Spiel, dessen Ziel es ist, Handlungsanweisungen genau zu befolgen (rechte Hand auf rot, linker Fuß auf grün) kreativ sein! Die Farben der re-designeten Uno-Karten wiederum sind so grell, dass man eine Sonnenbrille braucht, und es gibt drei Karten für „individuelle Sonderregeln“.
Ratlos sah ich zu meinem fünfjährigen Neffen. Was lernt ein Kind dadurch? Ich stellte mir vor, wie er als Erwachsener beim Schnellfahren erwischt wird, und den Polizisten erklärt, dass sie heute ein wenig kreativ sein sollten, denn er wende seine individuelle Sonderregel an.
Und plötzlich dämmerte mir: Für meine Famiglia ist das super. Denn so lernt mein Neffe, obwohl er in Wien aufwächst, seinem süditalienischen Nachnamen Ehre zu machen und kreativ-individuell Regeln zu umgehen. Und dabei Sonnenbrillen auf! Aber das konnten die Spielerneuerer kaum im Sinn gehabt haben. Wahrscheinlich waren die einfach alle auf der Waldorf-Schule.

vea.kaiser@kurier.at