Kolumnen

Fabelhafte Welt: "Hast Du denn nie 'The Sound of Music' gesehen"?

Vea Kaiser über Salzburg

Als 17-jährige Austauschschülerin in Pennsylvania lernte ich nicht nur die USA kennen, sondern auch mein eigenes Land in anderen Augen. Die amerikanische Version der österreichischen Nationalhymne begann mit folgender Zeile: „Edelweiss, Edelweiss, every morning you greet me.“ An der Highschool wollten die Kids ständig jenes traditionelle österreichische Volkslied mit mir singen, durch das österreichische Kinder angeblich die Tonleiter Do-Re-Mi lernen: „Doe! a deer, a female deer. Re! ray, a drop of golden sun, Mi! me, a name I call myself“ Dass ich all diese Lieder nicht kannte, trug mir bald den Ruf ein, gar keine Österreicherin zu sein, sondern „fake“. Schließlich konfrontierte ich meine Gastfamilie mit diesen seltsamen Erlebnissen. Meine Gastschwester schluckte und fragte das für sie undenkbare, unvorstellbare, kaum artikulierbare: „Hast du denn nie The Sound of Music gesehen?“ Nein, antwortete ich, und dass ich nicht einmal wisse, was das sei. Hätte ich erklärt, an der 9-11-Verschwörung beteiligt gewesen zu sein, wären meine Gastgeber wohl weniger verblüfft gewesen.
The Sound of Music ist ein Film-Musical aus dem Jahre 1965 über die Familie Trapp. Es spielt in Salzburg und läuft seither auf jedem amerikanischen Sender zu Weihnachten. Dieser Film zeigt wunderschöne, von Folklore strotzende Bilder aus Salzburg, und ist bis zum heutigen Tag dafür verantwortlich, wie uns die Weltmacht wirklich sieht: als tanzende, Tracht tragende, am Verlust der Monarchie leidende Gutmenschen aus Salzburg, der Hauptstadt eines ansonsten uninteressanten und von Feinden belagerten Landes. Außer Salzburg müsse man sich daher auch nichts weiter von Österreich anschauen, wenn man Europa bereist.  Und wie so oft fragt man sich: Spinnen die Amerikaner komplett oder ist hinter diesem Irrsinn doch ein wahrer Kern verborgen.

vea.kaiser@kurier.at