Chaos de Luxe: Tränen lachen
Von Polly Adler
Polly Adler über Abschieds-Unverträglichkeiten
Eine kleine Abschieds-Unverträglichkeit kriecht ins System. Das ist bei mir immer so, wenn „da Summa in die Knia geht“, um Herrn Heller zu zitieren. Ich muss jetzt nicht nur den rotgoldenen Jahreszeiten-Feschak ein letztes Mal umarmen, sondern auch meiner Freiheit und dem Dorfleben in Kabanien einen Adieu-Kuss auf die Stirn drücken. Und dem Gefühl, dass die Zeit unendlich ist und ein Meer von herrlich unberührten Tagen vor einem liegt, an denen man nichts muss. Nichts müssen, das ist überhaupt der größte Luxus. Kommt gleich nach der Selbstironie auf der Luxus-Skala. Hier in unserer Anstalt an der Alten Donau leben wir recht knapp nebeneinander, manche Besucher stehen da unter Nähe-Schock. Es wird kabanenübergreifend gekocht, geborgt, Schiefer aus den Sohlen gezogen, getrunken, viel zu viel getrunken, und gekocht. Also eigentlich kocht vor allem die Ausdrucks-Künstlerin, die dem Himmel sei Dank an einer Atzneurose leidet. Man brüllt „Hurra, die Zwetschken-Saison hat begonnen“ und schon hat man ein warmes Blech mit dem entsprechenden Fleck vor der Nase stehen. Ich flüstere meinen Oberschenkeln zu: „Kinder, um euch kümmere ich mich wieder im Herbst!“ Apropos: Der Fortpflanz ist nach sieben Monaten Globustollerei wieder in den heimatlichen Hafen getuckert. Allerdings nur für kurze Zeit. Im Dschungel von Peru hat sie sich per Skype einen Job in Berlin geangelt. Und in der Zeit ein Postgraduate-Diplom in Angstfreiheit absolviert. Die letzte Faser der Nabelschnur ist endgültig durchtrennt. Mutti wird, fürchte ich, verdammt oft nach Piefkonien tingeln, um dem Kind dort Qualitytime abzupressen. Und jetzt heißt mein neuer Leistungssport also Loslassen. Keine leichte Übung. Angeblich haben das schon Fantastillionen von Müttern hingekriegt. Und nein, ich werde nicht heulen. Sondern einfach nur Tränen lachen.
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