Chaos de Luxe: Goodbye, Berlin!
Von Polly Adler
Tatsächlich kommt sich das Muttertier wie eine Besucherin aus überwiegend unbebautem Gebiet vor, wenn es das Kind in Berlin heimsucht. Im Fortpflanz-Büroloft gibt es einen Meditationsraum, wo unter Anleitung eines Headspace- Trainers losgelassen wird, bis die Ideen nur so auf die Mood-Boards purzeln. Der/die Sitznachbar(in) des Kinds ist im Zweitberuf eine Tranny, sprich eine Transe, die im Oma-Look (mit kariertem Rock, silberblauer Perücke und trapezförmiger Henkeltasche) ihre off-off-off-Shows gestaltet. Hysterical! Man trifft sich in Lokalen mit Namen wie „Papa liebt dich“, „Ruf mich nie wieder an“ oder „Tante Horst“, und wenn Pech am Steuer sitzt, stolpert der Fortpflanz dort über Typen, die das Kind (weil deren Schutzpatronin natürlich Santa Ignorantia heißt) geghostet haben – was mit einer Profil-Blockade auf irgendwelchen hipsterfizierten Tinder-Derivaten (Tinder selbst ist ja inzwischen so random!) gleichzusetzen ist. Früher, im analogen Leben, haben die Jungs einfach nicht mehr am Festnetz abgehoben. Heute gibt es ja so viele technische Möglichkeiten, gekondoed zu werden (nach der japanischen Entsorgungs-Domina Marie Kondo). Willkommen im emotional Capitalism! Abgesehen davon, dass du zum Sprachpolizisten wirst und bei jedem der vielen sinnlosen Anglizismen ein Strafmandat ausstellen möchtest, ist es großartig, erste Reihe fußfrei zusehen zu können, wie das Kind ins Leben gebrettert ist. Dabei keinen Kaffee mehr ohne Hafermilch (Soja is so yesterday) schlürft, bei jedem Plastiksackerl, das man mir in die Hand drückt) einen Klima-Nervenkollaps kriegt, im „Späti“ (der Rund-um-die-Uhr-Greisler) anschreiben kann und mir stolz die zahlreichen Die-Polizei-bittet-um-ihre-Mitarbeit-Plakate in ihrer Hood zeigt. Nicht ohne fröhlich zu krähen: „Du kannst dir schon einmal Sorgen machen!“ Beloved scumbag, in etwa geliebtes G’frastsackl.
Pollys Xmas-Special in St. Pölten: 6. Dezember, 19 Uhr 30, Bühne im Hof. Mit den Damen Beimpold & Morzé.
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