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Wechsel des Blickwinkels kann helfen

„Ich habe Angst, … Angst zu haben ist mein Dauerzustand…“ Zwölf kurze, knappe, ja knappeste Zeilen über dieses Gefühl, das die Person, die das Gedicht geschrieben hat nie loslässt. Doch dann, dann kommt nach dem Gedicht die Gebrauchsanweisung, die schon im Titel steht: Perspektivenwechsel. Wie, das sei hier jetzt noch nicht verraten, einfach selber diese paar Zeilen lesen und dann: Das Aha-Erlebnis!

Gut, der „Trick“ ist nicht ganz neu, wurde schon andernorts gesehen und gelesen. Trifft’s aber voll.

Mit diesem Text gewann die 18-jährige Katharina Alram aus dem (Real-)Gymnasium Boerhaavegasse (Wien 3) den diesjährigen Schüler/innen-Wettbewerb der Erich-Fried-Tage. „Keine | Angst“ war das Motto des diesjährigen Literaturfestivals zu Ehren des österreichischen Dichters. Aus seinem Werk wurde auch ein kurzes Gedicht zu diesem Thema prominent zitiert: „Meine Angst/ist so groß geworden/daß sie vor nichts mehr Angst hat“.

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Jugend-Schreibbewerb beim Festival

Der Schreibbewerb für Jugendliche fand zum dritten Mal statt (die Erich-Fried-Tage, erst „nur“ wissenschaftliche Tagung und später – internationales – Literaturfestival gibt es seit 20 Jahren).

Aus den rund fünf Dutzend Einsendungen aus ganz Österreich wählte die Jury die – ihrer Meinung nach – drei besten aus. Die Preisträger_innen stellten sich vor ihrer Auszeichnung dem Kinder-KURIER zum Gespräch. Drei unterschiedliche Texte, drei ganz verschiedene schreiber_innen: Eine, die seit Volksschultagen schon immer schreibt, eine, die erst seit zwei Jahren ernsthaft Texte verfasst und einer, der’s „mit dem Schreiben eigentlich nicht so sehr“ hat.

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Blickwinkel verändern

Die schon genannte Siegerin schreibt erst seit ungefähr zwei Jahren. „Als Jugendliche hab ich so hobbymäßig in ein kleines Büchlein geschrieben. Auf Pinterest hab ich Wörter von A bis Z gefunden, die in unterschiedlichsten Sprachen – Japanisch, Koreanisch … in einem Wort oft einen ganzen Satz auf Englisch ausdrücken.“ Das war eine Inspiration. Dann kam dieser Wettbewerb, über den die Deutschprofessorin der jetzigen 8.-Klässlerin informierte. „Angst kommt ja oft auch daher, dass du sie dir selbst einredest. Wenn du deine eigene Einstellung veränderst, kannst du manche davon überwinden“, erklärt die Gewinnerin des Bewerbs.

Bevor sie die zwölf Zeilen schrieb „hab ich eine Mindmap gemacht und alles aufgeschrieben, was mir dazu eingefallen ist und als eine Möglichkeit den Perspektivenwechsel gesehen. Dann kam spontan die Idee zu diesem Gedicht.“

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Schreiben – sonst eher nicht

Martin Mayr, der Zweitplatzierte, ist Angehöriger einer absoluten Minderheit. Wo auch immer in Österreich Schreibbewerbe stattfinden, Buben und junge Männer stellen meist weniger als zehn Prozent der Einsendungen. Und eigentlich, so gesteht er im Interview, „hab ich’s nicht so mit Schreiben. Ich hab gern und viel gelesen, am liebsten Krimis und Thriller.“ Aber er dachte sich, nachdem die Lehrerin in der Vöcklabrucker HAK (OÖ) vom Bewerb erzählt hatte, „schreib ich halt. Ich hab mich an die Form eines Gedichtes erinnert, das wir gelesen haben und ich hab frei drauf los geschrieben über Ängste bei alltäglichen Schulthemen. Und das ist rausgekommen. Dass ich beim Bewerb den zweiten Platz gemacht habe war doppelt überraschend.“ Doppelt deswegen, weil Martin Mayr den Text am letzten Tag in der HAK verfasste, in der 2. Klasse. Er hat die Schule beendet und im Mai eine Lehre mit Matura als Prozesstechniker begonnen. „Mein Traum, meine Vision war schon immer, etwas auf Papier zu zeichnen und aus dem ein fertiges Ding in Händen zu haben. Hauptsächlich ist das durchs Herumbasteln an meinem Moped gekommen.“

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Heftige echte Geschichte

„Seit der Volksschule hab ich schon Geschichten und Gedichte geschrieben“ beginnt Vivien Daniel, Schülerin der 5. Klassen des Salzburger Musischen Gymnasiums, zu erzählen. In diesem Schultyp hat sie Literatur als eigenes Fach. Nach wie vor schreibt sie fast jeden Tag – über das hinaus was sie für die Schule muss. „Angst – dafür bin ich nicht so der Typ“ bringt sie auf den Punkt, dass dies ein für sie eher ungewöhnliches Thema ist. Aber vor drei Jahren erkrankte ihre Mutter an Krebs. „Das ist für mich Angst … mit der Sorge um meine Mutter zu leben“, schrieb sie am Ende ihres langen Textes, den die Jury mit Platz 3 des Bewerbs auszeichnete.

Diese Angst ist überwunden: Gesund sitzt die Mutter neben der Jungautorin. Noch immer tief berührt über den Text in dem ihre Tochter die alten aufwühlenden Gedanken zu Papier gebracht hat.

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