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Warum so fantasievoll beim Bestrafen?

Kein Wunder, dass „An der Arche um acht‘“ ur-oft von vielen verschiedenen Theater(gruppe)n gespielt wird. Ulrich Hub gelang da ein geniales Stück. Viel Humor, eine Handlung, die an dem bekannten Mythos von der Arche anknüpft. Den gab’s übrigens schon lange vor der Bibel und quer über die Welt verbreitet in den verschiedensten Kulturen. Knappe Dialoge, die so wie der Witz viel (kinder-)philosophischen Tiefgang haben. Eine grandiose, sehr kurzweilige, Version (Regie: Yüksel Yolcu) läuft derzeit im großen Haus des Wiener Theaters der Jugend, dem Renaissancetheater (1070, Neubaugasse).

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Göttliche Straf-Fantasie

Gibt es Gott? Wenn ja, sieht und hört er wirklich alles? Und, warum ist ihm bei der Landschaft, in der die Pinguine – Hauptfiguren des Stücks - zu Hause sind, nicht mehr als Schnee und Eis und Eis und Schnee eingefallen? Und warum will er dann die ganze Menschheit und Tierwelt – mit Ausnahme jeweils zweier Exemplare – mit der Sintflut vernichten?

„Möglicherweise ist Gott bei der Erschaffung dieser Gegend nicht besonders viel eingefallen, aber sobald es um die Erfindung von Strafen geht, hat er unheimlich viel Fantasie“, heißt das im Stück.

Allerdings ist es wahrscheinlich die einzige Bibelstelle, in der Gott mehr oder minder einen Fehler eingesteht, er sei mit der Sintflut zu weit gegangen.

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Die Pinguin-Story

Die Grundgeschichte – für jene, die das Stück nicht kennen: Drei Pinguine streiten sich immer wieder – offenkundig aus Langeweile. Eine Taube taucht auf, und verkündet, dass demnächst die Sintflut kommt. Pinguine seine noch keine auf dem Rettungsboot. Treffpunkt 8 Uhr und dann Abfahrt. Trotz Streits beschließen jene beiden Pinguine, die diese Botschaft vernehmen, während der dritte schmollt, auch der muss mit. Versteckt in einem Koffer …

Natürlich kommt’s im Bauch des Schiffes zu Versteckspielen vor der Ober-Checkerin an Bord, der Taube. Höhepunkt, wenn sie wirklich mitkriegt, dass in dem großen Koffer wer drin ist. Der dritte Pinguin meldet sich als Gott. „Hahaha“ – „Glaubst du nicht an mich?“ …

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Mehr als nur Glauben

Aber bei Weitem mehr als Diskussion um den Glauben an ein höheres Wesen, spielen eine große Rolle. So holt ausgerechnet der irgendwie ausgestoßen dritte Pinguin, der sich selbst als Böse findet, nachdem er sich auf einen Schmetterling gesetzt hat, die anderen beiden unter seinen Schirm, als es zu regnen beginnt. Die wiederum sind solidarisch und nehmen ihn heimlich mit aufs Boot. Sie, die ständig nach Fisch stinken und der Taube dauernd Probleme bereiten, sind die einzigen, die ihre Arbeit anerkennen. Denn der Noah ist ja zu vergessen. Das ist der Arche-Bauer nach der Bibel. Bei den antiken Griechen war’s Deukalion im Gilgamesch-Epos der Sumerer hießt der Retter Utnapischtim.

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Moderne Zeiten

Dass die Taube per Hubschrauber auf die Antarktis eingeflogen wird, oder es am großen Schiff elektrische Ruftasten gibt, versetzt die ganze Geschichte mit wenigen Kniffen aus grauen Urzeiten ins Heute. Und deutet damit dezent an, dass seit einigen Jahren intensiv über die Gefahren steigender Meeresspiegel diskutiert werden muss – Teil des Klimawandels und der Umweltzerstörung – von Menschen gemacht.

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Clownesk

Clownesk – in dieser Szene mit einem Schuss fast andächtigem Ernst – agieren vor allem die großartigen, bewusst unterschiedlichen Pinguin-Charaktere Frank Engelhardt, Alessa Kordeck und Stefan Rosenthal. Ziemlich schräg-verwirrt und bis knapp zum Schluss viel zu wenig bedankt „flattert“ Taube Jan Hutter über die Bühne. Diese - Ausstattung: Ulv Jakobsen, Licht: Christian Holemy, Videoanimation: Schorsch Feierfeil – wird mit wenigen Mitteln zur Arche, vor allem aber zum lustigen Rutsch-Spielplatz im ersten Teil in der Antarktis. Der Regen kommt als Video-Animation vom „Himmel“.

Sieben Mal singen und tanzen – vor allem die Pinguine – in unterschiedlichsten Genres – von einer Art Schlagerparodie bis zum (Möchtegern-)Rap (Musik: Béla Fischer jr.).

Begeisterter Jubel des Premierenpublikums – und das sind in diesem Theater doch zum Großteil Kinder.

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OMG

„Oh, mein Gott!“, so soll Ulrich Hub reagiert haben, als er vom Schauspiel Karlsruhe vor mehr als 15 Jahren gebeten wurde, ein Kinderstück zum Thema Gott zu schreiben. Das erzählt Yüksel Yolcu, Regisseur der grandiosen Fassung, die nun im Theater der Jugend, Premiere hatte. Er selbst, so sagt der in Berlin lebende Yolcu dem Kinder-KURIER, „habe immer wieder gesehen, dass viele Theater dieses Stück spielen, es aber nicht gekannt.“ Bis er vom Wiener Theater „gebeten wurde, wieder ein Stück zu inszenieren (in der vorigen Saison war’s „Ronja Räubertochter“). Die haben mir dann einige Stücke geschickt, die Arche war das Beste, das hat mir sofort gefallen.“ Die Kombination aus Humor, Witz und großer Philosophie wie Kinder solche Fragen stellen und diskutieren, hat - nicht nur - ihm gefallen.

Yolcu, der in Berlin ab seinem Schulalter aufgewachsen ist und sowohl Schauspiel als auch Regie in Deutschland studiert hat, ist übrigens in Iğdır ganz im Osten der Türkei geboren - mit Blick auf den Berg Ararat - an dem die biblische Arche Noahs am Ende der Sintflut auf Land stieß.

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An der Arche um Acht
von Ulrich Hub
Ab 6 J.,

Regie: Yüksel Yolcu

Erster Pinguin: Frank Engelhardt
Zweiter Pinguin: Alessa Kordeck
Dritter Pinguin: Stefan Rosenthal
Eine weiße Taube: Jan Hutter
Stimme des Noah: Toni Slama

Ausstattung: Ulv Jakobsen
Licht: Christian Holemy
Videoanimation: Schorsch Feierfeil
Musik und musikalische Einstudierung: Béla Fischer jr.
Choreografie: Nina Tatzber
Dramaturgie: Clemens Pötsch

Assistenz und Inspizienz: Simone Tomas
Hospitanz: Pia-Maria Harr

Aufführungsrechte: Verlag der Autoren, Frankfurt am Main

Wann & wo?
Bis 7. März 2020
Renaissancetheater: 1070, Neubaugasse 36
Telefon: (01) 521 10-0
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