Mathematik: Viele Lösungen können richtig sein ;)
Von Heinz Wagner
Der Prof gibt an fünf Jugendliche 32 Spielkarten - jeweils rot und schwarz, Pik, Herz, Karo und Kreuz. Der Reihe nach sollen sie - nein, nicht mischen, aber abheben. Das einzige was er fragt, wer hat eine rote und wer eine schwarze Karte. Und sagt dem ersten auf den Kopf zu, ein Herz-Ass in der Hand zu halten. Und, klar es stimmt. Bei der zweiten karte liegt er daneben. Wie sich später herausstellt, hat sich der Prof aber „nur“ verrechnet.
Verrechnet? Hääää?
Richtig gelesen, es geht nicht um Zufallstreffer oder Tricks wie gezinkte Karten oder ähnliches. Der Kinder-KURIER befand sich hier bei einem Lokalaugenschein im IST (Institute of Science and Technology), einer universitären, vor allem Forschungseinrichtung auf dem Gebiet der Naturwissenschaften in Maria Gugging (Klosterneuburg). Hier verbringen zehn Jugendliche aus österreichischen Schulen dieses Wochenende, um sich auf internationale Wettbewerbe wie Mathematik-Olympiaden (weltweite, mitteleuropäische...) vorzubereiten.
Auftakt mit einem IST-Prof.
Zum Auftakt hielt Jan Maas, einer der Professoren am IST Austria, Spezialist für mathematische Theorien, eine Lecture, die mit dem Kartenspiel begann. Und während - ich geb’s zu - ich nur Bahnhof verstand, machte es bei einigen der Jugendlichen sofort Klick, als der Professor auch nur kurz andeutete, welche mathematische Überlegung hinter seiner tatsächlichen Berechnung des „Tricks“ steht. Das hier auszuführen würde auch eher nur zur Verwirrung führen, aber kurz angedeutet: Das Kartendeck wird sortiert und jeder Karte sozusagen ein Binär-Code (das womit Computer rechnen, ausschließlich mit 0 und 1) zugeordnet. Aufgrund der Verteilung von rot und schwarz kann dann eben echt gerechnet werden, wer welche Karte in Händen hält. Beim Nahrechnen kam Maas dann auch drauf, dass es Karo 3 war und nicht Karo 2.
Viele Lösungen können richtig sein
So spannend kann Mathe sein. Die zehn Jugendlichen aber vertieften sich voller Lust und Leidenschaft nach der Pause auch in eine Ungleichung mit drei Variablen. Nun ist der lehrende ein Mathe-Student aus Klagenfurt, Moritz Hiebler, der als Schüler an mathe-Olympiaden teilgenommen hat. Er hat einige komplexe Aufgaben vorbereitet.
Die Schüler_innen kamen zu unterschiedlichen Lösungen - die auch richtig waren. Diese Tatsache fasziniert auch einen der Teilnehmer an diesem Workshop, Lorenz Hübel von der Sir-Karl-Popper-Schule so an Mathematik, „dass es oft unglaublich viele verschiedene Möglichkeiten geben kann“. Im Gespräch mit dem Kinder-KURIER erinnert er sich beispielsweise „an ein Geometrie-Beispiel bei einem Wettbewerb wo ich eine dreiseitige Lösung für die Aufgabenstellung geschrieben habe und wer anderer nur wenige Zeilen. Beides hat gestimmt, auch wenn die kürzere Lösung viel schöner ist.“
Er „mag Mathe schon seit der Vorschule und wie der Kartentrick zeigt, es mach alles Sinn. Ich mag vor allem den Moment des Begreifens: Wenn du ewig lang auf eine Sache geschaut hast plötzlich begreifst, wie’s geht.“
Ich mag Logikaufgaben und will alles verstehen
Stefanie Rauch aus dem Feldkircher Rebberg-Gymnasium (Vorarlberg) kam - wie die meisten der Kolleg_innen - direkt von der Klima-Schulstreik-Demo zum Mathe-Camp. „Schon in der Volksschule hab ich immer gern Logikaufgaben, mathematische Rätsel gelöst“, beginnt die 8.Klässlerin zu erzählen. „Mir geht’s nicht ums auswendig lernen von Formeln und dann schematisch Aufgaben zu lösen, sondern um die Suche nach Methoden, wie ein mathematisches Problem zu lösen ist. Ich will die Sachen verstehen und versuch mir dann immer alles herzuleiten.“ Außerdem liebt sie es, bei solchen Workshops, Gleichgesinnte zu treffen.
Zusammenhänge erkennen
„An Mathe macht mir Spaß, Zusammenhänge zu sehen und erkennen“, sagt Jakob De Raaij zum Kinder-KURIER. „Mit 7 oder 8 wurde ich in der Schule gefragt, ob ich am Wettbewerb Känguru der Mathematik mitmachen will. Das hat mir richtig Spaß gemacht und so hab ich mich dann auch in meiner Freizeit mehr mit Mathematik befasst. Ich bin jetzt das dritte Jahr schon in der Vorbereitung für Mathematik-Olympiaden. Das Umfeld dieser Wettbewerbe und der Vorbereitungen darauf mag ich sehr, weil ich da immer wieder viel Neues lerne.“
Was sagen schon Noten?!
Im KiKu-Interview verblüfft übrigens Stefanie Rauch ein wenig mit der Aussage: „Ich hab in Mathe in der Schule einen 3er“. Einige ihrer Kolleg_innen meinen: „Wir könnten alle 1er-Schüler sein, wenn wir wollten“. Ihnen geht’s aber nicht ums Strebern für Noten, sondern um die Freude am Lösen schwieriger Aufgaben, an geistige Herausforderungen. Und ein Beweis mehr, dass Noten nichts übers Können und über Leistung aussagen!