Jugendliche erstellen Lehrinhalte per App
Von Heinz Wagner
Julian Holzer zückt in Raum 25, im zweiten Stock in der Mödlinger Maria-Theresien-Gasse 25 sein Handy und startet die „Karton“-Kamera-App. Er dreht sich im Kreis, hält das Smartphone möglichst ruhig und nimmt dabei Maritina Trifonopolou, Alessia Vinci und Raito Piirisild auf, die in der Runde stehen. Warten. Nach wenigen Augenblicken ist ein Panorama-Bild zu sehen – auf dem Handy schmal und lang, die Karton-Gestelle der Virtual-Reality-Brillen aufgesetzt, Handy eingespannt und schon kannst du mit reinen Kopfbewegungen durch den Raum „wandern“.
Die vier Jugendlichen sind Teil eines auf zwei Schuljahre angelegten Erasmus+-Projekts rund um Digitalisierung. Sie vertreten die beteiligten Schulen aus vier Ländern. In der Woche vor den Weihnachtsferien war die Mödlinger private Handelsakademie (VBS – Vienna Business School) Gastgeberin für Jugendliche und Lehrkräfte der Partnerschulen aus dem griechischen Patras, Taormina (Sizilien, Italien) und Põlva (Estland).
Kultur-Austausch
Die Digitalisierung ist nicht reiner Selbstzwecks, sondern integraler Bestandteil des länderübergreifenden Projekts, bei des es natürlich auch ums gegenseitige Kennenlernen der Partnerschulen und –städte sowie Teilen der Kultur geht. So fand an einem Nachmittag in Mödling ein Walzer-Workshop statt.
Am Tag des Kinder-KURIER-Lokalaugenscheins wurden vor allem Begriffe und Erkenntnisse aus wirtschaftsnahen Vorträgen verarbeitet. Ein Vertreter eines lokalen diversen Einzelhandelsunternehmens sprach zunächst über mögliche Nischen und Vorzüge wie persönliche Beratung, aber auch Bedrohungen durch riesige Online-Handelshäuser. Zu letzteren nannte er vor allem negative Auswirkungen auf Umwelt durch die weiten Hin- und Her-Transportwege (Rücksendungen von Bestellungen) ebenso wie auf die Gesellschaft durch Steuerflucht dieser Konzerne und Lohndumping.
Wirtschaftsbegriffe digital aufbereiten
Das sollte aber keinesfalls als Verteufelung von Digitalisierung verstanden werden. Und so machten sich nach diesem Vortrag die Jugendlichen der vier Schulen, daran, in international gemischten Gruppen zu Begriffen rund um diesen Vortrag sowie generell wirtschaftliche Begriffe erklärende Darstellungen sogenannte Aurasma zu erstellen. So heißt die Website über die die App „reveal“ runtergeladen wird – für Handy ebenso wie für Laptop. „Da können wir Fotos, Audio-Files, Filme, Power Points und Texte miteinander verknüpfen“, erklären einige der Jugendlichen, was mit dieser „verraten“-App bewerkstelligt werden kann. Wird das öffentlich gestellt, können alle Follower dieses multimediale Erklär-Wissen sehen und hören.
Jugendliche verwendeten die App aber auch, damit beispielsweise jenen, die ihr Handy auf ein Mödlinger Gebäude halten, die entsprechend hinterlegten Infos „verraten“ werden.
eSchool im eLand
Einziges Problem beim Füllen der genannten Begriffe mit multimedialen Inhalten an diesem Tag: Obwohl in der besser ausgestatteten HAK-Plus-Klasse reichte die Internetverbindung nicht, dass alle gleichzeitig mit ihren Devices online arbeiten konnten. Das wird dann im Frühjahr 2020 im estnischen Põlva sicher anders sein. Das staatliche Gymnasium dieser 6000-Einwohner_innen-Stadt ist seit drei Jahren in einem Null-Energie-Haus untergebracht. „Wir beziehen Strom aus Sonnenenergie, sammeln Regenwasser für die Klospülung. Jedes Klassenzimmer hat eine Digitale Tafel, die Lehrer_innen kommen mit ihrem Schul-Laptop, stecken ihn in die Docking-Station und schon geht der Unterricht los“, schildert Aimi Joesalo, Lehrerin für Deutsch und „Bildungstechnologin“ dem Kinder-KURIER. Letzteres ist ein relativ neues Berufsbild. Das sind mehr als nur IKT-Lehrkräfte. Bei ihnen geht’s nicht nur um das technische Know-How, sondern um die Verknüpfung mit Lehrinhalten. Und solche – heute in Studien ausgebildet, viele neben der Unterrichtspraxis im Wege von Fortbildungen angeeignet – sind auch dafür zuständig, dass sich alle Kolleg_innen in Sachen Digitalisierung weiterbilden.
Die Schule hat einen Pool an Laptops bzw. Tablets für die Schülerinnen und Schüler. Die Lehrkraft bucht für die jeweilige Stunde das Set. Die Geräte kommen – aufgeladen – aus Kästen und schon geht’s los. „Viele unserer 216 Schülerinnen und Schüler haben aber auch eigene Laptops, Tablets oder arbeiten mit ihren Handys im Unterricht“, erläutert die Lehrerin aus Estland, die auch darauf verweist, dass die Schule – und viele anderen – ständig in internationalen Projekten involviert sind, elektronische Schulzeitungen erstellen, Informationen für Schüler_innen, Eltern und Lehrer_innen über Plattformen abgerufen werden können, elektronische Hefte geführt werden... Wir sind ein e-Land und haben natürlich e-Schulen, so Aimi Joesalo im KiKu-Gespräch.