Jugendliche decken auf – mit weißen Handschuhen
Von Heinz Wagner
Um ½ 7 Uhr früh begannen die ersten Schülerinnen und Schüler der HLT Bergheidengasse am Freitag im Hotel am Rennweg (ATH Savoyen Vienna) zu arbeiten. Schließlich steigt am Tag drauf wieder Österreichs größte Schul-Charity. Rund 1000 Gäste werden beim 13. Theaterhotel feinst und exquisit bekocht und bewirtet und neben dem kulinarischen mit künstlerischen Genuss versorgt – auf zwei Mal – zu einem Brunch mit Lunch und einem Dinner.
Die Speisen reichen vom gebeizten Seibling und Brokkolicreme über Maishuhn bis zu Mohnkuchen und Sauerampfer-Vinaigrette. Der Bogen des Kulturprogramms spannt sich von Superar-Orchester über Die Wandervögel, Dominik Plangger, die Gesangskapelle Hermann bis zu Aniada a Noar und Die Strottern & das Velevet Elevator Orchester.
Wohin die Einnahmen gehen
Die Einnahmen – im Schnitt der vergangenen Jahre jeweils deutlich mehr als 35.000 € - kommen einerseits einem indischen Dorfprojekt über den Entwicklungshilfeklub – Vedullapalli Colony in Andhra Pradesh (für 56 Familien, die jeweils ein Mitglied mit Behinderung haben) – sowie dem Wiener Integrationshaus, dem Österreichischen Paralympischen Committee, Licht ins Dunkel, dem Superar-Orchester und der Volkshilfe zugute.
Der Kinder-KURIER durfte am letzten Vorbereitungstag, dem ersten im Hotel selber – schon Tage vorher wurde in der Schulküche gekocht, gebacken und gekühlt – den Jugendlichen mit der Kamera auf die Finger schauen. Die einen polier(t)en Teller, Besteck und Gläser, die anderen trugen mit weißen Stoff-Handschuhen oder wer keine hatte, in sauberen Tüchern zunächst die Teller zu den 50 kreisrunden Tischen. Dort hatten andere schon zuvor die gelben Tischdecken aufgelegt.
Geometrie-„Hausübung“
Beim Platzieren der Teller findet fast ein bisschen Mathe-Unterricht statt. Fehlen nur noch Geodreiecke mit denen die Winkel zwischen Tischmitte und der Telleranordnung gemessen werden ;) Jedenfalls gut ein Dutzend Mal gehen die Servierkräfte aller Klassen jeweils zu zweit gegenüber in die Knie, schauen ob die Teller voll auf Linie stehen. Außerdem messen sie eine Daumenbreite Abstand vom Tisch- zum Teller-Rand. Das Gleiche machen sie mit Löffeln, Gabeln und Messer.
Wie die verschiedenen Teller, Besteckteile und Gläser letztlich arrangiert sein müssen, zeigt ein schon sehr früh fertig gedeckter Mustertisch.
Heute 100, morgen 220 Jugendliche im Einsatz
Rund 100 Jugendliche der Schule sind an diesem Freitag im Einsatz, berichtet Theaterhotel-Co-Direktorin und Bankett-Leiterin Lisa Grassler dem KiKu, „am Samstag werden rund 220 Schülerinnen und Schüler tätig sein.“ Dazu gesellen sich mehr als zwei Dutzend Superpraktikant_innen – Jugendliche, die mit dem Gedanken spielen, in dieser Schule ihre Oberstufe zu absolvieren und in einen Gutteil der Praxis-Ausbildung hineinschnuppern.
Team-Arbeit
Die Co-Direktorin hat aber nicht nur den Überblick, wie wo was zu tun ist, beantwortet geduldig entsprechende Fragen ihrer Mitarbeiter_innen, sondern kniet auch auf dem Teppichboden, um selber poliertes Besteck in die richtige Kiste zu geben, aus der ihre Kolleg_innen sie dann in Empfang nehmen, um sie auflegen zu können. Grassler arbeitet nun das fünfte Jahr mit. In den ersten drei Klassen war sie im Service tätig, im Vorjahr assistierte sie bei der Bankett-Leitung und heuer ist sie im fast ein Dutzend Köpfe zählenden Leitungsteam und da an der Spitze. „Es ist natürlich eine viel größere Verantwortung und Herausforderung. Das Projekt ist ja wirklich unglaublich groß. Aber, du weißt, du kannst dich auf das Team verlassen.“
Kein Hinderungsgrund
Wie sich alle aufeinander verlassen können, verkörpert vielleicht in diesem Jahr Zoe Kaspar am besten. Sie leitet die Pâtisserie, also die Süßspeisenabteilung als Chef de Partie – mit einem geschienten rechten Bein. „Kreuzband-Einriss, beim Skifahren mitten in den Semesterferien, aber bevor ich noch meine Eltern informiert habe, hab ich dem Leitungsteam geschrieben, dass ich leider nur eingeschränkt zur Verfügung stehe, aber, dass sie sich jedenfalls auf mich verlassen können. Krankenstand stand nie zur Debatte. Ich hab diesen Posten übernommen, sie bringen mir Vertrauen entgegen und lassen mir freie Hand bei der Arbeit.“
Die Arbeit, bei der wir gerade zuschauen dürfen: In der Schule schon vor Tagen gebackene Mohnkuchen, die gekühlt gelagert waren, nun vorsichtig aus den gekühlten Kisten nehmen und mit frisch gepresstem Orangensaft bestreichen, damit er ja bis zum Servieren am Samstag saftig bleibt.
Perfektionismus
„Vier verschiedene Mohnkuchenrezepte haben wir in der Schule ausprobiert, bis wir die richtige Mischung für einen saftigen Kuchen hatten“, beginnt Kaspar zu schildern und auf die Nachfrage, worauf es ankommt, ergänzt sie: „Das wichtigste ist ein guter Mohn. Außerdem verwenden wir kein Mehl, sondern nur Nüsse und Eier.“ Die gebackenen Bleche werden erst gekühlt, dann exakt geschnitten – 4 mal 4 cm. Kleinere Stücke werden aussortiert.
„Wir haben genug, 2000 brauchen wir - 2 für jeden Gast, aber wir haben insgesamt in jeder der vier Kisten 728 Stück. Wir haben alle einen Hang zur Perfektion, manche sind da drin schon ein bisschen wahnsinnig, ich zum Beispiel“, gesteht die fast stets lächelnde „Zuckerbäckerin“. „Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter freuen sich sicher auch über kleinere Stücke“, nimmt sie die Antwort auf die Frage vorweg, was mit den „Aussortierten“ passiert. Das ist übrigens auch Thema ihrer Diplomarbeit im kommenden Schuljahr: Ressourcenschonender Umgang mit Lebensmitteln.
Mit ihr bei der Kuchen-End-Vorbereitung am Werk sind Anna-Maria Ferencz, Moritz Wiedemann und Duncan Moser. Letzterer schneidet sechs Orangen in die Hälfte und presst sie händisch aus, weil in der Großküche auf die Schnelle keine Presse zu finden war.