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Humorvolle Tutorials rund ums letzte Hemd

Erster Eindruck: Eine Mini-Variante eines letzten Abendmahls. Der Boden des gesamten Theaterraums Bühne, aber auch Publikumsreihen auf Sitzbänken im Stile von Zeltfesten, ist von einige Zentimeter hoch von sandiger Erde bedeckt. Der ganze Raum von schwarz bemalten Stoffbahnen mit einigen an Feuer erinnernden Einsprengseln umgrenzt.

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Hektik bei einer Art Hochzeitsfeier. Die Brautmutter beschwert sich ständig, dass die bestellte Torte noch nicht da ist. Der Bräutigam ist in ein Online-Game vertieft und eher abwesend. Der Brautvater erzählt von seinem Darmkrebs, will’s nun aber wirklich angehen, um erbost den Tortenlieferanten anzurufen. Der Bräutigam pflanzt sich vor dem Computer in der Ecke auf, scheint einerseits mit dem Tortenlieferanten zu kommunizieren und andererseits mit anderen Online-Gamern. Deckungsgleiche Koordinaten. Rums. Nein, nicht eine Drohne wirft die Torte ab, der Lieferwagen kracht in die Hochzeitsgesellschaft. Plötzlich wirkt alles wie nach einem Bombeneinschlag.

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Leben wir noch oder sind wir schon … drüben? Mehrmals stellt die alte Frau die Frage und die junge antwortet mit der Vermutung, dass sie schon alle im Jenseits seien. In einem äußerst strangen Ambiente spielt(e) sich die 1 ¼-stündige Performance „701 britische TeelöffelViva la muerte!“ im Wiener Off-theater nicht zuletzt um Halloween und die Totengedenktage ab.

Der zweite Teil des Titels erinnert an den mexikanischen Brauch, die verstorbenen Verwandten fröhlich und bunt an Gräbern zu besuchen oder sich zu Hause so an sie zu erinnern – als sie noch lebensfroh unter den Verwandten weilten: Día de los Muertos. Und so geht die gar nicht so besonders fröhliche Hochzeitsfeier in eine Art fröhlicherer Totenfeier über – mit Einsprengseln tiefgründiger, philosophischer, poetisch-entrückter Gedanken über Leben und Tod. Oder Tödin (wie in Mexiko). Oder auch das Wälzen der Frage, ob Verbrennung ökologisch noch vertretbar wäre – CO2-Ausstoß, Energiebedarf oder nicht Kompostierung die klimaneutralste Version der Be-Erdigung wäre…

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Sorgt allein schon das heiter-makabre Setting immer wieder für Momente des Lachens, so kulminieren solche vor allem in drei Tutorials, angelehnt an dieses YouTube-format, rund um den Tod – übers Waschen eines verstorbenen Angehörigen oder das Schneidern eines Totenhemdes. Allein die ironische Anwendung dieses Formats sorgt für fast brüllendes Lachen.

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Der fast ausschließlich computerspielende Bräutigam bringt natürlich noch eine Ebene des „zu früh gestorben“ in die Performance – jene im virtuellen Spiel.

Das Spiel der sechs Schauspieler_innen wird ergänzt, mitunter auch erweitert um die Live-Musik von Sylvie Lacroix auf einer goldenen Flöte und Spiros Laskaridis (Trompete).

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Was bedeuten 701 britische Teelöffel?!

Ach, ein kleines Manko des berührend-humorvollen Stücks, das sich auch als Gegenstück zum Verdrängen und sozusagen Out-Sourcen des Todes in vielen Gesellschaften versteht: Der erste Teil des Titels kommt im Stück nicht vor, sondern „nur“ im Programmzettel als Fußnote und ein bisschen ausführlicher auf der Homepage: 701 britische Teelöffel sind jenes Volumen, das die Asche eines durchschnittlichen Leichnams ausmacht.

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701 britische TeelöffelViva la muerte!

Texte: Ilse Helbich, Ernst Kurt Weigel, Lukas Meschik & das Ensemble

Regie: Petra Weimer
Mit: Kristina Bangert, May Garzon, Valentin Ivanov, Peter Raffalt, Jutta Schwarz, Tamara Stern

Ausstattung: Nora Scheidl
Komposition: Arturo Fuentes
Live-Musik: Solist_innen von PHACE: Sylvie Lacroix/ Flöte und Spiros Laskaridis/ Trompete

Licht: Victor Duran
Sounddesign: Florian Bach

Ausstattungs-­Assistenz: Caroline Wiltschek
Regiehospitanz: Anna Travaglia
Regie­-Assistenz: Alexander Riff

Wann & wo?
Bis 2. November 2019; jeweils 20 Uhr
OFF-Theater: 1070, Kirchengasse 41
Infos/Tickets: https://www.netzzeit.at/aktuell/