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Es ist nicht wichtig, woher du kommst, sondern wohin du gehst

Als er den ersten Polen kennenlernte, hat sich für ihn das Vorurteil, alle Polen würden klauen, in Nichts aufgelöst. So beginnt der 13-jährige Taha-Alhasan Ben Yahya Dienstagvormittag auf dem Wiener Schulschiff seine Rede beim zehnten Durchgang des mehrsprachigen Redewettbewerbs „ SAG’S MULTI!“. Und genau dasselbe gelte, wenn es vielfach heißt, alle arabischen Moslems seien Terroristen und die arabische Schrift Geheimzeichen dafür.

Als Mittel gegen Vorurteile schlug der Jugendliche aus der Mittelschule Leipziger Platz zwei Dinge vor: Möglichst unterschiedliche Menschen kennen zu lernen und gehörte, gelesene, gesehene Vorurteile mindestens einmal zu überdenken und kritisch zu hinterfragen. Seine Rede hielt er auf Arabisch und Deutsch. Letzteres machen alle bei diesem Bewerb startenden Schülerinnen und Schüler. Aber zusätzlich wählen sie eine zweite Sprache, das kann häufig eine sein, mit der sie auch aufwachsen, seit einigen Jahren sind aber auch erlernte Fremdsprachen möglich.

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Brücken oder Mauern?!

Und so sprach Evelin Balogh aus dem an diesem Tag gastgebenden Schulschiff diesmal auf Englisch, in früheren Jahren war sie bereits mit Ungarisch angetreten. Die 17-Jährige konzentrierte sich auf das Leitthema des aktuellen Bewerbs „Brücken und Mauern – wie bauen wir unsere Zukunft?“ Ausgehend von ihrer persönlichen Beziehung zu einem Mädchen schilderte sie, dass der eigene Großvater in Ungarn eher eine Mauer ihr gegenüber errichtet habe, während ihre Eltern sich bemühten, eine Brücke zu errichten, auch wenn das Outing für sie nicht leicht gewesen wäre.

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„Das Recht, Rechte zu haben“

Eröffnet hatte diesen ersten von insgesamt 14 Regionalrunden-Tagen Helene Monsberger (13, Englisch als erlernte Fremdsprache) ebenfalls vom Schulschiff, das nach der österreichischen Friedensnobelpreisträgerin Bertha von Suttner benannt ist, mit einem Zitat von Hannah Arendt „Das Recht, Rechte zu haben“ (eines der sechs Themen von „SAG’S MULTI!“ 2018/19). Sollten Erwachsene Kindern Rechte verwehren, so empfahl sie diesen, doch einmal zurückzudenken an die eigene Kindheit. Jedes Kind hat das Recht, sich neugierig und wissbegierig zu entfalten und selber über sich zu entscheiden.

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Selbstverständlich helfen

Vom selben Zitat ausgehend sprach auch Melani Kaiser (13, BKS/Serbisch) vom BRG Schuhmeierplatz und begann damit, dass sie darauf hinwies, dass Millionen von Menschen nicht einmal sauberes (Trink-)Wasser haben, etwas das für uns beinahe unvorstellbar sei. Die Familie ihrer Mutter ist in den 90er Jahren des vorigen Jahrhunderts aus Jugoslawien nach Österreich geflüchtet. Deshalb sei es 2015 für die ganze Familie selbstverständlich gewesen, auf den Bahnhöfen Kriegsflüchtlingen zu helfen.

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Für uns Selbstverständliches ist nicht überall so

Auch Nidia Joby Jose (GRG Heustadelgasse, Malayalam/Südindien) hatte Hannah Arendts Zitat als Grundlage für ihre Rede gewählt. Vielleicht nehmen viel zu viele Menschen mitten in Europa das für selbstverständlich. Aber schon kurzes Nachdenken zeige, dass sehr vielen Menschen auf der Welt dieses Recht vorenthalten werde. Und dabei gehe es nicht darum, sich zu entscheiden, ob Pizza oder Burger, sondern Millionen von Kindern haben wenig bis nichts zu essen und keine Schule.

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Begegnungen bereichern

Robert Pupić (12, Schulschiff, BKS/Kroatisch) sprach über „ Europa, die Welt und wir“ und schilderte seine Ferienaufenthalte in einem kleinen kroatischen Dorf, in dem er seine Sommerferien verbringt – wie viele Menschen aus vielen anderen Ländern. Diese Begegnungen sowie die Erfahrungen seiner Eltern mit Menschen aus vielen verschiedenen Ländern bereichern sein Leben. Da sei zu erkennen, dass Menschen ziemlich verschieden und doch auch irgendwie in vieler Hinsicht einander sehr ähnlich sind. Seine Rede beendete er mit einem Zitat der einstigen US-amerikanischen Jazz-Sängerin Ella Fitzgerald, wonach es nicht wichtig sei, woher du kommst, sondern wohin du gehst.

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Es könnte so einfach sein ...

Das Unterthema #metwo – empören und empowern wählte die 12-jährige Ecem Eser (Türkisch) vom Gymnasium Schuhmeierplatz und beschäftigte sich damit naturgemäß mit Rassismus und Ausgrenzung. Darunter falle auch, wenn ihr jemand „nett gemeint“ sage, dass sie aber gut Deutsch könne. Das Leben könnte auf der Welt für alle so viel einfacher und genießbarer sein, wenn alle die anderen bloß als Menschen betrachten würden.

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Instagram als Rückenstärker

Ilmi Djemali (14) von der Mittelschule Leipzigerplatz wählte für seine Rede die Fremdsprache Englisch, „weil ich will, dass es alle verstehen“, verrät er, der auch mit Mazedonisch aufgewachsen ist, in der Pause dem Kinder-KURIER. Er begann mit fast niederschmetternden persönlichen Erfahrungen und Erlebnissen. Er werde als Witzfigur, Schwuchtel usw. beschimpft, nur weil er sich style, schminke und nicht klischeehaft männlich kleide. Das habe ihm oft Angst gemacht. Sogar Polizisten hätten nur gelacht, als er einmal nicht nur beschimpft, sondern auch geschlagen wurde. Er sei aber kein Alien, wir sind alle Menschen dieses Planeten. Seine Rückenstärke hole er sich nicht zuletzt durch sein Instagram-Profil, auf dem er an die 30.000 Abonnenten habe.

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Hintergrundinfos

580 Jugendliche – ab 12 Jahren bis zum Ende der Schulzeit – treten in diesem Schuljahr bei „SAG’S MULTI!“ mit insgesamt 51 verschiedenen Sprachen an. Derzeit laufen die Regionalrunden – in Wien, Graz und Innsbruck. Die besten rund 100 Jugendlichen kommen ins Bundesfinale, wo die besten der besten ermittelt werden und eine gemeinsame Reise gewinnen.

Drei von vier der Redner_innen treten mit ihrer Erstsprache an, von dem Viertel, das mit einer erlernten Fremdsprache redet, hat übrigens auch jede/r Zweite eine andere Muttersprache als Deutsch.

Ins Leben gerufen wurde der Bewerb, der bewusst die Mehrsprachigkeit fördern will, vom „Verein Wirtschaft für Integration“. Mehrsprachigkeit als Potenzial, Gewinn, Schatz – für die Menschen, die’s können, aber auch für die gesamte Gesellschaft und Wirtschaft – dieser Gedanke steckt hinter dieser Iniiative, bei deren Abwicklung EduCult Partner ist und die von Sponsorfirmen (vor allem Lukoil und Lotterien) unterstützt wird.

www.sagsmulti.at

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