Weltbekannter Familientherapeut Jesper Juul ist tot
Von Anita Kattinger
Zurückgezogen im dänischen Odder an der Ostsee lebte der seit 2012 brustabwärts gelähmte Bestseller-Autor Jesper Juul. Wie vor Kurzem bekannt wurde, ist der weltbekannte Familientherapeut am 25. Juli an den Folgen einer Lungenentzündung im Alter von 71 Jahren gestorben. Das teilte das Institut Familylab unter Berufung auf Juuls erwachsenen Sohn Nicolai mit.
Mit Büchern wie "Nein aus Liebe", "Dein kompetentes Kind" oder "Deine kompetente Familie" erreichte der ehemalige Lehrer ein Millionenpublikum und prägte Begriffe wie Gleichwürdigkeit und Selbstgefühlt für die Beziehung zwischen Eltern und Kindern.
Trendwende in der Ratgeber-Literatur
Juul läutete eine Trendwende in der Ratgeber-Literatur ein und stellte das Verhalten der Eltern in den Mittelpunkt: Aus seiner Erfahrung heraus, glaubte er an die Kompetenz der Kinder ab ihrer Geburt. Nicht durch Bestrafungen oder Laissez-faire würden sich Kinder zu verantwortungsvollen Persönlichkeiten entwickeln, sondern nur durch die Vorbildwirkung der Eltern.
Im Mittelpunkt seiner Beratungen und Ratgeber-Literatur stand stets die Kommunikation innerhalb der Familie.
Gleichwürdigkeit
"Meine Tochter hat mir gesagt, dass ich sie dauernd belehre. Da ist es mir erst aufgefallen." Jeder sollte die anderen so behandeln, wie er es selbst erleben möchte. Es hilft, die Kommunikation zum Kind und zum Partner zu vergleichen.
Integrität
Ein Vater stürmt ins Zimmer seiner Tochter, die gerade Kopfhörer auf hat, und will reden. Sie hört ihn erst, als er sie anfaucht, und erschrickt. Jedes Familienmitglied darf seine Grenzen wahren.
Authentizität
Sie sind überfordert, weil sich Ihr Kind nicht an die Regeln hält? Hier hilft, offen über Ärger und Ängste zu reden.
Verantwortung
Eltern sollen Sparring-Partner für ihre Kinder sein. Klare Regeln, die besprochen wurden, vereinfachen das Zusammenleben.
Das Elternberatungsprojekt Familylab hatte der Bestseller-Autor 2004 mitgegründet, das Institut betreibt Ableger in zahlreichen europäischen Ländern. Seit drei Jahrzehnten galt der Däne als einflussreichster Familientherapeut Europas, nicht zuletzt auch durch seine vielen Kolumnen in Tageszeitungen. Seine Ausbildung zum Gruppen- und Familientherapeut absolvierte er in Dänemark, in den Niederlanden und den USA.
Dank seiner Erfahrung als Lehrer für Religion und Geschichte, seiner internationalen Ausbildung und seiner zahlreichen Reisen baute er Dialoge und Kommunikationsbeispiele aus unterschiedlichen Ländern und Kulturen in seine Tipps ein. Auch von seiner eigenen Vater-Sohn-Beziehung berichtete er ausführlich in seinen Büchern und schrieb über die Probleme jener Eltern-Generation (Juul war Jahrgang 1948), die selbst noch autoritär erzogen wurde.