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Gemeindearzt: „Gesundheit für die Patienten geopfert“

Knapp 6000 Einwohner zählt die Gemeinde Purgstall an der Erlauf im Bezirk Scheibbs in Niederösterreich. Wer sich in der beschaulich wirkenden Ortschaft umsieht, kann einiges entdecken. Die Infrastruktur reicht von Krabbelstube über Volks- und Neue Mittelschule bis hin zu Apotheke, Bücherei, Supermarkt und Kaffeehaus. Allerdings könnte die medizinische Versorgung besser sein, meinen mehrere Bewohner, wenn man sie darauf anspricht.

„Derzeit sind unsere beiden bestehenden Hausärzte überlastet. Für einen weiteren Allgemeinmediziner wäre unser Einzugsgebiet mit etwa 10.000 Einwohnern groß genug“, sagt Purgstalls neuer Bürgermeister Harald Riemer (ÖVP). Doch die dritte Kassenplanstelle ist schon seit längerer Zeit unbesetzt. Drei Ausschreibungen brachten bisher keinen Erfolg.

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Erkrankung

Mehr als 30 Jahre lang war die Pöchlarner Straße 24 eine wichtige Adresse für viele Patienten. Seit Ende September aber bleibt die Eingangstür durchgehend zugesperrt. Den plausiblen Grund können die Bewohner auf einem weißen Zettel über der Türklinke nachlesen: „Die Ordination ist ab sofort wegen Erkrankung des Arztes geschlossen“. Obwohl Gemeindearzt Johannes Bergauer bis Jahreswechsel weiterarbeiten wollte, musste er frühzeitig aufgeben.

Wer den ehemaligen Gemeindearzt kennt, weiß ganz genau, dass ihm das alles andere als leicht gefallen ist. „Ich konnte nicht mehr. Die Schmerzen waren schon unerträglich“, erzählt der 62-Jährige im Gespräch mit dem KURIER. Auf seinen Röntgenbildern war von einem Hüftgelenk so gut wie nichts mehr zu sehen. „Wenn man so will, habe ich meine Gesundheit für die Patienten geopfert“, sagt Bergauer. Seit seiner Operation bewegt er sich mit Krücken vorwärts – so lange, bis alles gut verheilt ist.

Sein Ende als Allgemeinmediziner hat sich Bergauer in seiner Gemeinde ganz anders vorgestellt. Eigentlich hatte er vor, rechtzeitig einen Nachfolger aufzubauen. „Ich wollte einen Jungarzt langsam in den Job hineinwachsen lassen. Es kamen Mediziner nur zum Schnuppern. Mehr wurde daraus leider nicht“, bedauert Bergauer.

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Ausbildung

Aus seiner Sicht krankt es an mehreren Stellen. „Es gibt viel zu wenige Ausbildungsplätze. Und zahlreiche Studenten kommen aus Deutschland und sind nach dem Abschluss wieder weg“, kritisiert der 62-Jährige. Darüber hinaus seien volle Wartezimmer, lange Arbeitszeiten und mehrere Wochenenddienste für Jungärzte abschreckend. „Trotzdem ist es ein schöner Beruf. Ich hätte mir nichts anderes vorstellen können. Schon als 15-Jähriger habe ich bis zur Matura die Lehrbücher für den ersten Studienabschnitt gelesen. Zu Weihnachten gab es damals ein Anatomiebuch, das ich mir gewünscht habe.“

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Dass sich in Zukunft etwas ändern muss, damit der Beruf als Hausarzt wieder attraktiver wird, davon ist er überzeugt: „Das Problem ist, dass die Administration immer aufwendiger wird. Alleine dafür gehen zwei bis drei Stunden pro Tag drauf. Viel wichtiger wäre Zeit für die Patienten“, erklärt Bergauer. Geht es nach seinen Überlegungen, müssten das Bezahlmodell und die Ausbildung geändert werden. Eine weitere Möglichkeit, um den Ärztemangel abzufedern, wäre es, mehrere verpflichtende Praxisjahre für deutsche Medizinstudenten in Österreich einzuführen, sagt Bergauer.

Anreize will auch die Gemeinde Purgstall schaffen, um bald den fehlenden Hausarzt zu finden. „Die Räume für eine Ordination sind vorhanden“, sagt Bürgermeister Riemer. Bald soll es hier auch ein Primärversorgungszentrum mit mehreren Medizinern geben. „Die ersten Gespräche mit dem Land waren positiv“, sagt Riemer.

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