Witzigmann liebt Flußkrebse

Von der Entwicklung des Arme-Leut-Essens zur raren Delikatesse, vom Fangen und Züchten, von Lieblingsrezepten und den dazu passenden Weinen.

Herbstzeit ist für mich auch immer Flusskrebszeit. Früher gab es davon in Deutschland so viele, dass es gesetzlich verboten war, seinen Dienstboten mehr als zwei Mal pro Woche Gerichte aus Edelkrebsen aufzutischen. Die Zeiten sind vorbei. Im Zuge der Krebspest (1877 bis 1880) wurden die Bestände arg dezimiert. Seitdem ist diese Krebsgattung eine seltene Delikatesse. Ein Kilo Edelkrebse kostet heute um die 40 Euro - teurer als die gleiche Menge Hummer.

Mit etwas Geduld und viel Glück habe ich als Bub die kleinen Krustentiere in der Dunkelheit noch selbst gefangen - angelockt durch das Licht einer Taschenlampe. Heute habe ich einen besseren Trick: Ich fahre zu meinem ehemaligen Schüler Anton Lanz nach Hergensweiler bei Lindau am Bodensee, der eine eigene Edelkrebszucht betreibt. Besonders gern esse ich die Krebse im Chablis-Kräutersud. Dafür koche ich die gewaschenen Krustentiere zuerst knackig in einer Courtbouillon (Fischsud) und schwenke sie, frisch ausgebrochen, anschließend mit kalter Butter ein.

Etwas Dill darüber, Kerbel, glatte Petersilie, ein Hauch Kümmel aus der Mühle, ein Spritzer Zitrone - fertig ist der Krebsgenuss. So hat früher auch Gunter Sachs die Edelkrebse in meinem Restaurant Aubergine am liebsten gegessen. Wenn ich einmal nicht an den Bodensee fahren kann, gehe ich zum Fischhändler. Dort gibt es köstliche Alternativen zum Edelkrebs aus aller Welt, aus denen sich herrliche Gerichte machen lassen: Flusskrebse mit Hühnerfleischpolpette, Gartengurken und Koriander, Flusskrebse mit pochiertem Ei in Blätterteig oder Flusskrebse mit Blumenkohl als Suppe oder Sauté.

Zum Schluss ein Getränketipp: Der Flusskrebs schwimmt am liebsten in Weißwein, etwa Riesling oder Chablis. Also Finger weg von Rotwein oder Bier! Sonst kommt der Koch krebsrot im Gesicht und mit Scheren bewaffnet aus der Küche geschossen.

Aus: freizeit-KURIER vom 1.10. 2011

Eckart Witzigmann widmet sich in seiner Kolumne im FREIZEIT-Kurier dem ganz (un)gewöhnlichen Küchen-Alltag.

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