Leben/Essen & Trinken

Witzigmann kocht einen Holler

Herbstzeit - Schnupfenzeit. Vor ein paar Tagen hatte ich mir einen ordentlichen Schnupfen eingefangen. Doch anstatt vorschnell in den Medikamentenschrank zu greifen, habe ich es erstmal mit der "kulinarischen Hausapotheke" versucht. Ich erinnerte mich an ein altes Hausmittel von meiner Mutter: Holundergelee. Selbst gemacht, versteht sich - aus den Blüten und Beeren, die ich eigens als kleiner Bub im Früh- bzw. Spätsommer gesammelt hatte. Jedes Mal, wenn ich Halsweh oder Ähnliches hatte, hat sie mir davon einen guten Löffel voll in den Tee gegeben. Nach wenigen Tagen war ich wieder fit wie ein Turnschuh und bereit für neue Streiche mit meinen Kameraden aus dem so genannten Glasscherbenviertel. Zum Glück hat mir mein alter Freund Gernot aus Bad Gastein vor ein paar Wochen ein Glas dieser wohlschmeckenden Medizin mitgebracht. Und siehe da - es hat funktioniert.

Aber Holler ist nicht nur gesund, sondern es lassen sich auch köstliche Dinge daraus machen. Zum Beispiel Holunderbeerenragout, der fast schon in Vergessenheit geratene Holunderkoch mit Äpfeln und Birnen mit Vanillemousse, Holunderblütensorbet mit Erdbeer-Kirsch- oder Beerengrütze, Holunderblüten gebacken oder Holunderfeigen mit Mohnkuchen und Lavendeleis. Der geniale Däne Rasmus Kofoed, der übrigens als einziger Bronze, Silber und Gold gewonnen hat bei den Bocuse d`Or - das ist die Koch-WM schlechthin -, kombiniert Holunderblüten frech mit Karotten und Hummer. In der Barlandschaft hat der Holunder dieses Jahr in Sirupform dem Szenedrink "Sprizz" den Rang abgelaufen. Stichwort "Hugo". Ich persönlich bevorzuge nach wie vor den Klassiker aus den 80er-Jahren: Kir Royal (Crème de Cassis aufgegossen mit Champagner). Höchste Zeit für ein Revival. Vielleicht kann ich meinen Freund, die Barkeeper-Legende Charles Schumann überreden, dass er im nächsten Sommer den "Ecki Royal" kreiert: Holunderblütensirup mit Champagner. Das wär was.

Aus: freizeit-KURIER vom 5.11. 2011

Eckart Witzigmann widmet sich in seiner Kolumne im FREIZEIT-Kurier dem ganz (un)gewöhnlichen Küchen-Alltag.

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