Leben/Essen & Trinken

Schlachthof verkauft seltene Fleischstücke im Web

Lungenbraten, Beiried und RostbratenEdelstücke, die der Konsument in jedem Supermarkt um die Ecke bekommt. Schwieriger gestaltet sich die Suche nach einem mageren Meisel oder einer geschmacksintensiven Fledermaus. Norbert Marcher, Geschäftsführer der Marcher-Fleischwerke, startete im Jänner den Web-Shop www.fleischwerkstatt.at für Fleischteile, die Konsumenten heute überhaupt nicht mehr im Supermarkt finden. Sein u.a. in Graz, Klagenfurt und Villach vertretenes Unternehmen schlachtet im Jahr 130.000 Rinder bzw. schlachtet und zerlegt 1.000.000 Schweine – damit gehört der Betrieb zu den größten in ganz Österreich.

Im Interview mit dem KURIER kündigt der Kärntner an, dass Konsumenten den Fleischern in seinem Betrieb künftig via Web-Cam über die Schulter schauen können.

KURIER: In den vergangenen Jahren waren Schlachthöfe immer wieder in Kritik wegen schockierender Bilder aus TV-Dokumentationen. Können Sie den Wunsch nach mehr Transparenz nachvollziehen?
Norbert Marcher: Ja, ich kann es verstehen. Ich möchte auf diesen Wunsch in unserem größten Betrieb in Graz eingehen: Wir haben bereits zum Zweck der internen Überwachung Online-Webcams an allen sensiblen Stellen installiert und werden Interessierten Zugang zu diesen Bildern vor Ort in Graz anbieten. Auf Youtube werden wir keine Videos stellen, weil der Schlachtprozess ein sehr sensibler Bereich ist.

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Durch lange Transportwege werden Tiere einem großen Stress ausgesetzt, wie sieht das bei Ihnen aus?
Die Fleischproduktion ist sehr arbeitsteilig organisiert: Der arbeitsintensivste Teil erfolgt in Zerlegebetrieben. Unabhängig von diesen haben wir vier Schlachtbetriebe in Oberösterreich, Niederösterreich, Steiermark (Graz) und Kärnten (Klagenfurt), damit wir möglichst kurze Lebendtransportwege haben. So können auch wir Schlachttiere von kleinen Landwirten abholen.

Auch Sie holen Tiere ab?
Ja, gelegentlich, das betrifft oft Nebenerwerbslandwirte, die nur einzelne Tiere abgeben.

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Robert Illemann
Norbert Marcher, Fleischerbetrieb, Schlachtbetrieb
Machen viele Österreicher den Job? Wie leicht finden Sie Personal?
In Österreich wird der Beruf des Fleischers seit einigen Jahren leider nicht als sehr attraktiv wahrgenommen. Der Job ist sehr anstrengend: Die Mitarbeiter stehen viel und arbeiten in stark klimatisierten Räumen. Besonders kraftintensiv ist der Beruf nicht mehr, hier gibt es genug fördertechnische Einrichtungen. Wir beschäftigen sehr viele ausgebildete Fleischer aus Ungarn, die wegen der besseren Lohnbedingungen und mangels Jobangebot in ihrem Heimatland lieber nach Österreich kommen. Wir stellen alle Mitarbeiter bei uns an, niemand ist an Subunternehmen ausgelagert, das wird sehr geschätzt. Insofern haben wir kein Problem, Personal zu finden. Der KV-Lohn unterscheidet sich geringfügig in den Bundesländern, das Mindestgehalt beträgt rund 2062 Euro für einen fertigen Fleischer.

Wieso haben Sie sowohl Betriebe, die zerlegen, als auch Schlachthöfe?
Die Zerlegung ist eine zentrale Tätigkeit innerhalb der Wertschöfpungskette. Es braucht eine bestimmte Grundmenge für Qualität und Verfügbarkeit, um Schwankungen auszugleichen. Wir verkaufen mehr als 50 Prozent im Ausland: Das Ziel muss sein, möglichst alle Fleischteile zu verwerten. Nach Ost-Asien verkaufen wir Schweinefüße und -nasen: Ein Tiefkühlcontainer fasst 24 Tonnen, diese Grundmenge wird benötigt, um Übersee-Geschäfte logistisch sinnvoll abzuwickeln. Kleine Schlachtstätten haben wegen dieser Grundmengen und wegen der hygienischen Anforderungen überhaupt keinen Zugang zu diesem Export. Derzeit liefern wir u.a. nach Hongkong, Japan, Südkorea oder nach Afrika.

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Vergangenes Jahr hat die chinesische Regierung grünes Licht für Schweinefleisch aus Österreich gegeben. Eine chinesische Delegation besuchte einige Schlachtbetriebe in Österreich: War Ihr Betrieb auch darunter?
Ja, nach jahrelangen Bemühungen von Minister Andrä Rupprechter verschaffte sich eine chinesische Delegation ein Bild von sechs österreichischen Schlachtbetrieben, darunter waren zwei unserer Schlachtbetriebe. Die chinesischen Experten waren kompetent und aufgeschlossen. Wir sind mit beiden Betrieben noch im Rennen, aber der Vergabeprozess ist offen und die Freigabe noch nicht erteilt worden. In China gibt es eine große Nachfrage für Schultern, Nacken, fettere Teile – und natürlich nach jenen Teilen wie Schweinsohren, für die es bei uns überhaupt keine Nachfrage gibt.

Was erhoffen Sie sich?
Bessere Preise durch eine starke Nachfrage, letztlich stützen wir die Bauern mit einem Export nach China und der neue Markt wirkt preisstabilisierend.

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Sie haben vor wenigen Wochen einen Web-Shop für Fleisch gestartet: Recht außergewöhnlich, wenn ein so großer Schlacht- und Zerlegungsbetrieb direkt an den Konsumenten selber verkauft?
Ja, wir sehen das aber als unsere Kernaufgabe. Es gibt eine Vielzahl von Landwirten, die Fleisch in unterschiedlichen Qualitäten herstellen: Manche Kunden wünschen ein Jungrind, weil dieses zart ist. Andere Kunden schätzen ein älteres Tier wegen eines festeren Bisses. In die Supermärkte kommen sehr gute Qualitäten,von denen es eine regelmäßige Verfügbarkeit gibt. Wir wollen einen Nischenbereich abdecken, wo ein flächendeckendes Angebot in den Supermärkten nicht sinnvoll wäre: Schweinsbackerl, Fledermäuse, Steaks von besonders fettdurchzogenen, älteren Kühen, unserer sogenannten "Grand Moo". Zudem ist ein Web-Shop ein neuer Kommunikationsweg für uns: Erstmals bekommen wir direktes Feedback von Konsumenten. Wir hatten erwartet, dass sich Kunden vor allem für Steaks interessieren werden. Das Bestellverhalten war aber in der ersten Tagen bunt gemischt.
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Mitteleuropäische Diskonter bieten in Aktionswochen ein ganzes Hendl um ein paar Euro an…
Ich bin kein Experte im Geflügelmarkt. Bei Rind und Schwein jedenfalls ist die Preisgestaltung weder zum Nachteil der Konsumenten noch zum Nachteil der Landwirte. Unsere Bauern erzielen bei uns um drei bis fünf Prozent höhere Preise als deutsche Preise. Es ist ein Irrglaube, dass Aktionswochen Druck auf den Erzeugerpreis machen. Relevante Faktoren für die Preisgestaltung sind Tierwohl, Bio oder Regionalität. Der Preis für Fleisch misst sich nur am europäischen Markt.

Wie viel Fleisch essen Sie am Tag?
Nicht täglich, aber ich bin sicher ein überdurchschnittlich starker Fleisch-Esser. Ich habe keine Angst um unseren Berufsstand. Fleisch ist ein Nahrungsmittel, auf das der menschliche Körper lange und besonders gut eingestellt ist. Der Fleischkonsum ist mit 80 Kilo pro Kopf bei jenen stabil, die sich Fleisch leisten können. Experten gehen davon aus, dass der Welt-Fleischverbrauch in den kommenden Jahren rund ein Prozent wachsen wird. Fleisch ist noch immer ein Wohlstandsindikator, wenn auch nicht bei uns.

Porcella: Zum Kochen, Dünsten, Kurzbraten, für Ragout oder doch lieber für Faschiertes? Die gut übersichtliche Plattform zeigt, welch breites Angebot zur Auswahl steht– etwa Hüferschwanzl, Hals oder Zapfen. In einer separaten Auflistung werden die Bio-Landwirte namentlich genannt. Ab 90€ ist die Zustellung mit Übernachtexpress kostenlos, die Lieferung erfolgt freitags. www.porcella.at

Labonca: Der Bio-Hof von Norbert Hackl im Kärntner Burgau ist das Zuhause von 400 Sonnenschweinen. Dabei handelt es sich um eine besondere Rassenkreuzung. Im Web-Shop finden Interessierte Blutwurst für 5,78 € oder langes Fischerl. Ab 90€ bezahlt der Kunde 12€ für Verpackung und Versand. www.labonca.at

Styria’s Best: Kalbsvogerl, Nierenzapfen oder Rieddeckel: Die Plattform von Christoph Zotter, der zu den größten Kalbfleischerzeugern Österreichs zählt, führt ein Sortiment an Rindfleisch (Alpenland Rind Selektion und Naturpark Rind Selektion), Kalbfleisch (Steirisches Premium Kalb Selektion) und Edelschwein (Naturpark Pöllauertal). Nicht immer eine detaillierte Herkunftsangabe, aber eine separate Auflistung der Partner-Betriebe. Zugestellt wird am Tag nach der Bestellung, Versandkosten kommen auf 9,90€. www.styrias-best.at

Fleischwerkstatt: Unter der Kategorie Gustostückerl findet der Konsument u. a. Schulterscherzel, Meisel, Fledermaus und Wangerl – ohne detaillierte Herkunftsangabe. Nach der Reifung wird das Fleisch entweder schockgefroren oder frisch gekühlt gelagert. Ab 99€ ist der Versand kostenlos. Geliefert wird zwischen Dienstag und Freitag. www.fleischwerkstatt.at

Bergerhof: Der Bergerhof in Neukirchen am Großvenediger in der Nationalparkregion Hohe Tauern züchtet Wagyu-Rinder. Im Web-Shop finden Konsumenten nicht nur klassische Steaks, sondern auch Schmorfleisch oder Nuss von der besonders zarten, japanischen Rinderrasse. Ab 350€ erfolgt die Zustellung kostenlos, für Bestellungen unter dieser Summe fällt eine Versandkostenpauschale in der Höhe von 15€ an. Die Lieferung erfolgt per Express. www.berger-wagyu.at